Ich kenne keinen Krieg, der an sich heilig ist. Krieg ist immer schlecht. Krieg ist immer Verlust und Trauer, Schmerz und Zerstörung, Hass und Empörung. Krieg ist Tod. Der Krieg kann nicht heilig sein. Heilig ist aber all das, was wir heute durch diesen, uns erzwungenen Krieg, verteidigen: unsere Kinder, unsere Eltern, die Gräber unserer Vorfahren und unserer Helden, es sind Menschen die wir begegnet haben, die Teil unseres Lebens sind, es ist das Land auf dem Menschen seit eh und je leben und wirken, deren Leben uns heilig ist. Und deshalb müssen wir, leider, in diesen Krieg, um sie zu gewinnen und unseren Gegnern den Frieden zu erzwingen.

Armenien ist ein kleines Land. Die Armenier – ein friedvolles Volk. Sie hätten weder gestern noch heute einen einzigen vernünftigen Armenier finden können, der diesen Krieg gewünscht hätte. Alles was wir möchten: Frieden! Die Regierung Aserbaidschans braucht Berg Karabach ohne armenische Christen. Es geht ihr nicht um die Menschen dort, sondern um Territorium und pantürkische Träume mit dem großen Bruder, welches allmählich zu einer Supermacht wird. Was vor 100 Jahren nicht vollbracht wurde, möchte das türkisch-aserische Tandem heute vollenden. Sie werden sich nur mit Berg Karabach nicht befriedigen. Sie brauchen das gesamte Armenien, aber ohne Armenier, ohne Christen.

Nun ist es aber so, dass wir den 21. Jahrhundert schreiben und wir mit dem Krieg in den 90er Jahren gezeigt haben, dass wir keinen weiteren Völkermord zulassen werden. Wir haben damals beriefen, dass es um Leben und Tod eines ganzen Volkes geht. Heute geht es auch darum.

Vor Tagen schrieb ich bereits, dass es nicht richtig ist Russland als Schutzmacht Armeniens zu bezeichnen. Russland ist nicht nur neutral, sie verkauft mehr Waffen an Aserbaidschan als an Armenien und der Vertrag, den man immer wieder nennt… Hat man diesen gelesen? Russland will und wird sich in diesen Krieg nicht einmischen. Sie braucht den nicht. Die Türkei aber kauft syrische Islamisten, bewaffnet Aserbaidschan, wirbt National mit Hasspropaganda und international ruft sie die Länder der Welt Armenien zu verurteilen. Wir seien die Aggressoren. Wir, die wir um unser Lebensrecht kämpfen. Die Türkei hat es in Erinnerung, dass es o.k. ist, wenn sie Armenier massakriert, denen die Stimme beraubt und die Weltgemeinschaft schweigt. Die Türkei sieht, dass da alles beim alten bleibt, wenn sie Kurden und Jeziden massakriert, wenn sie in Syrien einmarschiert, in Zypern unbestraft ihre Spielchen spielt. Warum nicht die Möglichkeit nutzen und auch Armenien vernichten. Aseris sind da ein gutes Instrument in deren Hand. Seit mehr als 30 Jahren wird dort Armenophobie und Hass gegen allem, was armenisch ist gesät…

Ich hoffe sehr, dass wir aus der Geschichte gelernt haben, dass wir außer Gott keinen Freund auf dieser Welt haben. Zumindest bis jetzt werden „beide Seiten“ zum Frieden aufgerufen und keiner will eindeutig den Schuldigen nennen und ihn auch international bestrafen. Leider schweigen auch die christlichen Kirchen, oder wenn sie sprechen, dann nur soviel, wie die Regierungen es zulassen, obwohl sie bestens wissen worum es geht und was da in diesem Land abläuft. Die mächtigen westlichen Kirchen können gerade heute uns helfen, die Stimme der Gerechtigkeit und der Wahrheit hörbar bei den Großmächten dieser Welt zu machen. Die Vertreibung und Vernichtung der orientalischen Christen aus dem Osten ist der Anfang vom Ende des Westens, das soll jedem klar sein.

Krieg ist nicht gut. Krieg ist nicht heilig. Krieg bringt Armut und Tränen, Leid und Tod. Auch nach den größten Schlachten müsste man zum Schluss verhandeln. Der Konflikt in Berg Karabach ist keine Ausnahme. Je schneller man zum Verhandlungstisch zurückkehrt, desto besser für alle. Ich rufe deshalb alle meine Freunde, die was zu sagen haben in der Politik, in der Kirche, im kulturellen Leben, ihre Stimmen zu Erheben und die asero-türkische Aggression gegen armenisches Leben in Berg Karabach und in Armenien zu stoppen. Stoppt die Türkei. Stoppt Aserbaidschan. Bis sie das tun, werden wir kämpfen müssen, um uns zu verteidigen. Es geht um Leben und Tod, um Existenzrecht, einer gesamten Nation, die schon vor hundert Jahren einen Völkermord erleiden müsste.

Ich bete für den Frieden. Ich bette, damit alle Machthabende auf ganzer Welt zur Vernunft kommen. Ich bette, damit dieser Krieg, alle Kriege aufhören und Frieden auf der Welt herrscht.

Pfr. Dr. Diradur Sardaryan
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Dieser Beitrag unseres Gemeindepfarrers finden Sie auch in türkischer Übersetzung hier: https://www.avrupa-postasi.com/