Ein Gespräch mit Maestro Ruben Gazarian

Ruben Gazarian ist ein armenischer Dirigent. Derzeit ist er Generalmusikdirektor am Theater Altenburg-Gera. Bis Ende 2020 war er Chefdirigent des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt, bis 2018 auch Chefdirigent des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn. Ruben Gazarian bleibt weiterhin mit der der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg verbunden. Seit Jahren unterstütz er die Armenischen Kulturtage Stuttgart und die sozial-humanitären Projekte der Gemeinde. Am Weihnachten 2022 wurde Herr Gazarian zum Խաչքավոր (arm. Kreuzespaten) der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg. Wir haben die Gelegenheit mit dem Maestro ins Gespräch zu kommen. 

(AGBW) Herr Gazarian, Sie haben Weihnachten in Ihrer armenischen Gemeinde gefeiert und haben das Amt des Kreuzpaten für dieses Jahr übernommen. Wir gratulieren Sie herzlich. Mit welchen Gefühlen gingen Sie nach diesem Gottesdienst nachhause?

(R. G.) Ich war tief bewegt, noch Tage danach spürte ich eine besondere, friedliche und erhabene Stimmung in mir.

(AGBW) Sie sind in Armenien geboren, fanden aber in Deutschland eine zweite Heimat. Schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust?

(R. G.) Ja, das könnte man sicher so sagen. Deutschland ist für mich schon seit Langem zur zweiten Heimat geworden, mich verbindet mit diesem Land so viel Wunderbares – privat und beruflich. Dabei ist Armenien für mich natürlich nicht einfach nur Geburtsheimat, sondern bleibt das ganz außergewöhnliche Stückchen Erde, welches schlicht und ergreifend unwiederholbar ist. Einen Teil dieser „armenischen DNA“ trage ich weiterhin in mir und wie auch Millionen anderer ethnischen Armenier, die über den Globus verteilt sind, vergesse unser altes biblisches Mutterland nie.

(AGBW) Bis Ende 2020 waren Sie Chefdirigent des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt, bis 2018 auch Chefdirigent des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn. Nun sind Sie der Generalmusikdirektor am Theater Altenburg-Gera. Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre Arbeit? Was ist Ihr Geheimnis?

(R. G.) Diese Frage ist in der Tat schwer zu beantworten, aber einer der helfenden Faktoren dabei ist sicherlich die unbedingte Liebe zur Musik.

(AGBW) Es ist eine Tradition geworden, dass Sie mit dem WKO Heilbronn und verschiedenen renommierten armenischen Künstlern bei den Armenischen Kulturtagen Stuttgart aufgetreten sind. Welche Rolle spielt die Kultur Armeniens in Ihrem Leben. Haben Sie Pläne auch für Armenien?

(R. G.) Auch wenn ich – gerade während meiner gesamten musikalischen Ausbildung, die schon sehr früh in der Schule begann – mit der Europäischen Kultur aufwuchs (nicht nur Musik, sondern auch beispielsweise die Literatur), so spielt die uralte Kultur Armeniens eine sehr große Rolle für mich. Mehr noch: Mit den Jahren spüre ich, wie diese Verbundenheit an Tiefe stets gewinnt. Sei es armenische Musik, sei es die überaus reiche armenische Sprache oder jede andere Facette dessen, was wir unter dem Sammelbegriff Kultur verstehen. Und wenn ich die Klänge des Duduk höre, dann bin ich im Geiste in Armenien…

(AGBW) Welche Rolle spielt der Glaube und wie ist Ihre Beziehung zu der Armenischen Apostolischen Kirche?

(R. G.) Der Glaube war und ist schon seit meiner frühesten Kindheit ein integraler Bestandteil meines Wesens. Dabei empfinde ich die Armenische Apostolische Kirche als das Rückgrat oder aber auch als die wichtigste moralische Instanz der armenischen Nation. Wir wissen aus der leidvollen Geschichte dieses uralten Volkes, dass gerade die Kirche über Jahrhunderte das rettende Element in den schwersten Augenblicken war. In den Zeiten der verlorenen eigenen Staatlichkeit ersetzte unsere Kirche den Statt und somit rettete die Armenier.

(AGBW) Sie unterstützen seit Jahren die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg vor allem im Bereich der Kultur und des diakonischen Dienstes der Gemeinde in Armenien. Was sind Ihre Beweggründe?

(R. G.) Eigentlich sind die Beweggründe genau die, über die ich in den obigen Antworten sprach. Man könnte es auch so formulieren: Die Liebe zu Armenien und zu all dem, was Armenier in so vielen Bereichen – von Wissenschaft bis zur Kunst – der Welt geschenkt haben.

(AGBW) Gibt es, neben der Musik, noch etwas das Sie leidenschaftlich gerne machen?

(R. G.) Ja, ich lese unbeschreiblich gern, ich liebe das Kino und bin ansonsten ein absoluter Familienmensch, verbringe also wahnsinnig gerne Zeit mit meiner Familie.

(AGBW) Weihnachten ist eine Zeit der Wunder. Welche drei Wünsche hätten Sie für ihre Landsleute hier in Deutschland und in Armenien?

(R. G.) Für alle armenischen Landsleute weltweit wünsche ich, dass unser kleines und bezauberndes Armenien den Weg aus der gegenwärtigen tiefsten Krise findet, indem die Nation sich auf alles Großartige und moralisch Hochwertige besinnt, was diese Ethnie in sich trägt. Armenien kann nur durch einen bedingungslosen gesellschaftlich-politischen Reinigungsprozess wieder zum Leben erwachen. Der Hass aufeinander, der seit über drei Jahren ganz bewusst in der armenischen Gesellschaft gesät wird; die permanenten Lügen der Politiker, die jeglichen Anstand längst verloren haben; das Einschüchtern und Inhaftieren derjenigen, die das Land retten können und wollen; die Atmosphäre der Resignation, die ebenso bewusst kultiviert wird – all das und noch vieles mehr dergleichen muss für immer überwunden werden! Das wäre mein wichtigster Wunsch für das heutige Armenien. Wenn das gelingt, dann wird alles andere von allein kommen: Dieses Volk ist so begabt, so intelligent, so talentiert und so fähig, dass es einem prächtigem Baum gleich wieder wachsen und gedeihen kann, wenn man sich an die Wurzeln erinnert, diese heilt und damit den ganzen Baum rettet.

(AGBW) Herzlichen Dank

Erfahren Sie mehr über Maestro Ruben Gazarian auf seiner Web-Seite:
https://www.rubengazarian.com/