Achtung, falsche Propheten

So genannte Sekten und Psychogruppen können Gefahren für den Einzelnen, für die zwischenmenschlichen Beziehungen – insbesondere in der Familie und für die Gesellschaft insgesamt bergen. Hier nennen wir einige Merkmale, wann du lieber das Weite suchen solltest.

Hütet euch vor den falschen Propheten;
sie kommen zu euch in Schafskleidern,
im Inneren aber sind sie reißende Wölfe. (Mt 7, 15)

Seit den Anfängen des Christentums gibt es religiöse Gruppen und Organisationen, die versuchen, Menschen von ihrem Glaubensweg abzubringen, sie zu manipulieren und auszunutzen. Oftmals treten diese Gruppen als harmlose und liebevolle Gemeinschaften auf, die den Menschen, vor allem in Notsituation, helfen wollen. In Wirklichkeit kann es sich jedoch um Sekten handeln, die sich zum Ziel gesetzt haben, ihre Mitglieder zu kontrollieren und finanziell auszubeuten.

Der Bibelvers (Mt 7, 15) warnt davor, dass falsche Propheten in Schafskleidern kommen werden, um die Menschen zu täuschen. Schafskleider stehen hierbei symbolisch für Unschuld und Harmlosigkeit. Die reißenden Wölfe im Inneren hingegen repräsentieren die wahren Absichten dieser falschen Propheten. Sie wollen die Menschen nicht helfen, sondern ihre Macht und Kontrolle über sie ausbauen. Solche Gruppen werden als „Sekte“, auf Armenisch „Աղանդ“ (Aghand) bezeichnet.

Um nicht in den Nest der falschen Propheten zu fallen, ist es einerseits wichtig, dass man die Lehre seiner Kirche kennt. Für armenische-apostolische Christen wäre es die Lehre der Armenischen Apostolischen Kirche. Auch der Kontakt mit der eigenen Gemeinde und dem Geistlichen, helfen fern von solchen Organisationen zu bleiben. Es gibt aber auch Beratungsstellen, die bei Bedarf Unterstützung anbieten.

Für Ratsuchende aus Baden-Württemberg gibt es je nach Themengebiet staatlich geförderte Beratungsstellen, die Ihnen für Informationen, Klärung sowie Beratung zur Verfügung stehen. Ausführliche Informationen finden Sie hier:
https://beware.kultus-bw.de

Es gibt einige Warnzeichen, die darauf hinweisen können, dass eine Gruppe eine Sekte ist und dass man besser Abstand davon nehmen sollte.

Einige Merkamle

  • Autoritäre Kontrolle: Eine Sekte wird oft von einer „charismatischen“ Führungspersönlichkeit geleitet, die unangemessene Kontrolle über ihre Mitglieder ausübt. Kritik oder Widerspruch werden nicht toleriert, und die Führer können ihre Anhänger dazu bringen, ihnen blind zu folgen.

    Die Bibel dagegen lehrt uns:
    „Ich bin der Herr, dein Gott (…). Du sollst außer mir keine anderen Götter haben.“ (2. Mose 20, 2-3).

  • Fehlendes kritisches Denken: Eine Sekte kann ihre Mitglieder davon abhalten, kritisch über ihre Lehren oder Praktiken nachzudenken. Sie behaupten oft, dass sie die einzige Wahrheit haben und dass Kritiker entweder falsch liegen oder von Satan beeinflusst werden.

    Die Bibel dagegen lehrt und:
    „Prüft alles, was gesagt wird, und behaltet das Gute.“ (1. Thessalonicher 5, 21)

  • Falsche Versprechen: Sekten versprechen oft ihren Mitgliedern Wohlstand, Gesundheit und Glück, wenn sie bestimmte Regeln befolgen oder sich an bestimmte Praktiken halten. Wenn diese Versprechen nicht erfüllt werden, wird den Mitgliedern oft die Schuld gegeben, sie seien nicht stark genug gläubig.

    Die Bibel dagegen lehrt uns:
    „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt“ (Epheser 2,8)

  • Abgeschnitten von der Außenwelt: Sekten können ihre Mitglieder von ihren Familien, Freunden und der Außenwelt abschneiden. Sie können auch die Zeit und Aktivitäten ihrer Mitglieder kontrollieren und sie davon abhalten, Kontakt mit Menschen außerhalb der Sekte zu haben, mit der Begründung, es wäre schädlich für die eigene geistliche Entwicklung.

    Die Bibel dagegen lehrt uns:
    „Darum gehet hin und lehret alle Völker“ (Matthäus 28,19)

  • Totalitäre Gesetzlichkeit: Eine Sekte kann ihre Mitglieder dazu zwingen, sich an bestimmte Regeln und Rituale zu halten, wie z.B. was sie essen oder welche Kleidung sie tragen sollen. Wenn jemand diese Regeln nicht einhält, kann er ausgeschlossen oder verurteilt werden.

    Die Bibel dagegen lehrt uns:
    „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern.“ (Galater 5, 13)

  • Finanzielle Ausbeutung: Oft werden Mitglieder gezwungen, hohe Geldspenden für vermeintlich „gute Zwecke“ zu leisten oder monatliche Beiträge an die Gemeinschaft zu überweisen. Diese Zahlungen werden oft als Zeichen des Glaubens oder als Teil eines spirituellen Wachstumsprozesses dargestellt. In Wirklichkeit dienen sie jedoch oft dazu, die Führungspersonen der Gruppe zu bereichern und ihre Macht zu festigen. Mitglieder werden oft unter Druck gesetzt, hohe Geldbeträge zu leisten, auch wenn sie finanziell nicht in der Lage sind, diese Zahlungen zu leisten.

    Die Bibel dagegen lehrt uns:
    „Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht verdrossen und nicht unter Zwang; denn Gott liebt einen fröhlichen Geber.“ (2. Korinther 9, 7)

Es ist wichtig, auf die oben genannten Warnzeichen zu achten und kritisch zu hinterfragen, was in einer Gemeinschaft vor sich geht. Wenn man Bedenken hat, sollte man sich an vertrauenswürdige Quellen wie Beratungsstellen oder ehemalige Mitglieder wenden, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. In jedem Fall sollte man immer vorsichtig und nicht leichtgläubig sein, wenn es um die Suche nach einer Gemeinschaft geht.

Psychische Abhängigkeit

Oft geht man davon aus, dass nur labile oder unreife Personen anfällig für Sekten oder psychologische Gruppen sind. Doch in Wirklichkeit können auch „normale Menschen“ in ihren Bann geraten. Dies kann auf unterschiedliche persönliche Gründe zurückzuführen sein. Diese Gründe können auf bewussten oder unbewussten Bedürfnissen, Problemen oder Einstellungen basieren, die oft bis in die Kindheit zurückreichen. Diese Bedürfnisse können die Suche nach Einbindung und Zugehörigkeit, Halt und Klarheit, persönlicher Aufwertung, Selbsterweiterung oder Einzigartigkeit sowie die Suche nach Neuem umfassen. In Krisensituationen können diese Gründe verstärkt oder erstmals sichtbar werden.

Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre stellen fest, dass ein Beitritt oder eine Mitgliedschaft bei einer „Sekte“ oder Psychogruppe oft auf eine „Passung“ zurückzuführen ist. Das bedeutet, dass die persönlichen Bedürfnisse, Probleme und Ängste eines Menschen (möglicherweise nur vermeintlich) mit dem Angebot einer bestimmten Gruppe zusammenpassen. Die Menschen glauben, dass sie bei dieser Gruppe ihren Meister oder Lehrer gefunden haben, dass sie eine Art wirkliche Familie erleben oder dass alle ihre Fragen und Hoffnungen dort beantwortet und erfüllt werden. In vielen Fällen führt dies zu einer befriedigenden Interaktion, ob dies von Außenstehenden als vernünftig angesehen wird oder nicht.

Eine „Passung“ kommt darin zum Ausdruck, „dass ein enger Zusammenhang zwischen der Lebensorientierung bzw. der Persönlichkeit von Individuen sowie dem Angebots- und Anforderungsprofil von Gemeinschaften besteht, denen sie sich zuwenden. Ebenso steht fest, dass innerpsychische bzw. soziale Labilität einen wichtigen Faktor bei allen biografischen Umorientierungen bildet. Von daher erscheinen die Interaktionen zwischen Individuum und Gemeinschaft als Teile eines Such- und Anpassungsverhaltens, das durch psychische Manipulation der Gruppe weder erzeugt noch ersetzt, wohl aber gelenkt werden kann.“ (Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen in der BRD – Endbericht der Enquete-Kommission „Sog. Sekten und Psychogruppen“ (BT-Drucksache 13/10950); Hg.: Deutscher Bundestag (1998), Bt-Drs. S. 79.)

Prävention

Wie kann man verhindern, dass Menschen vor allem Kinder später problematischen Gemeinschaften beitreten und von zweifelhaften (pädagogischen, therapeutischen oder religiösen) Scharlatanen beeinflusst werden? Es ist wichtig, dass Erwachsene wie Kinder darauf vorbereitet sind, dass sie im Leben verschiedenen religiösen, weltanschaulichen, ideologischen, therapeutischen und ähnlichen Angeboten begegnen werden. Dabei sollten sie lernen „Für und Wider“ abzuwiegen und eine Urteilssicherheit hinsichtlich vager Behauptungen und schöner Versprechungen zu entwickeln.

Allerdings sind „Bekehrungen“ und Bindungen an ungewöhnliche Gruppen und Lehren zutiefst gefühlsmäßige Vorgänge, bei denen selbst theoretisches Wissen im entscheidenden Moment unter Umständen unwirksam bleibt. Deshalb ist die beste Prävention gegen zweifelhafte „Sekten“-Angebote die Entwicklung einer gefestigten Persönlichkeit beim Kind und Jugendlichen, die ihnen Selbstvertrauen und Vertrauen in ihre realen Möglichkeiten vermittelt, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und die eigene Zukunft mitzugestalten. Wenn sie selbstbestimmt leben und Verantwortung für ihr Leben übernehmen, werden sie sensibel auf Versuche reagieren, vereinnahmt zu werden oder das Selbstbestimmungsrecht entzogen zu bekommen.

Eine familiäre Umgebung und aktives Gemeindeleben in der Armenischen Apostolischen Kirche für armenisch-apostolische Christen, mit verlässlichen Bezugspersonen kann dabei helfen, Selbstsicherheit und Ich-Stärke zu entwickeln. Dies verhindert auch, dass anderweitig Halt gesucht wird oder ein Sich-selbst-Aufgeben zugunsten einer dubiosen Erlösergestalt droht. Eltern sollten mit ihren Kindern über Weltbilder, religiöse Vorstellungen, gesellschaftliche Werte und Normen sowie andere, das Leben mit Sinn erfüllende Orientierungen sprechen und sie ermutigen, eigene Perspektiven für sich festzulegen und eine positive Einstellung zu sich und ihrem sozialen Umfeld zu gewinnen. Auch die Samstagsschulen der armenischen Kirchengemeinden haben hier eine besonders wichtige Rolle.

Doch es gibt keine Patentrezepte, wie man sich vor den psycho-manipulativen Techniken verschiedener Gruppierungen schützen oder Angehörige aus problematischen „Sekten und Psychogruppen“ herausholen kann. Es ist jedoch wichtig, einschlägige negative Merkmale zu erkennen und zu wissen, wo man fachliche Hilfe suchen kann. Hier können kirchliche Beauftragte für den Bereich der „Sekten und Psychogruppen“ sowie Fachstellen wie das Landesjugendamt hilfreich sein.