…weint mi den Weinenden

Freut euch mit den Fröhlichen,
weint mit den Weinenden.Röm. 12, 15

„Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.“ – was heißt es für uns heute, wenn wir die erschreckenden Nachrichten aus der Türkei und Syrien hören?

Heute, genauso wie vor zweitausend Jahren bedeutet es: sind wir erfüllt mit der Liebe Christi, machen wir unsere Herzen auf für die Gefühle des Anderen. Unser Mitmensch ist uns dann nicht mehr fremd – er ist Bild und Gleichnis Gottes, genau wie wir – sein Leid und sein Glück sind auch unser Leid und Glück.

Als Christen sind wir eingeladen, mitfühlend zu sein. Gerade jetzt, wo die Menschen in Syrien und der Türkei so tiefen Schmerz erleiden müssen, leiden wir mit. Unsere Gedanken und unsere Gebete sind mit ihnen. Wir dürfen uns nicht abkapseln, sondern uns mitten hinein in die solidarische Kraft des Lebens begeben. Wie können wir es tun? In dem wir zumindest beten und mit unseren Spenden Leid und Schmerz lindern.

Das Leben ist voller Glücksmomente, aber auch voller Leid. Manchmal hat man das Gefühl, dass es zu viel wird, wenn das Leid überhandnimmt, wenn alles erdrückt und lähmt. Die Fülle des Lebens mit all ihren Facetten kann auch zur Last und zur Bürde werden. Ich erinnere mich an das Erdbeben in Armenien vom 1988. Den unerträglichen Schmerz des Verlustes, die Machtlosigkeit, den Trauer, den mein Volk, meine Familie und ich als ein 8-jähriges Kind, in dieser Zeit erlebt haben, kann ich nicht vergessen. Gleichzeitig kann ich die Freude nicht vergessen, als wir damals sahen, wieviele Menschen Anteil an unserem Schmerz genommen haben. Ich erinnere mich, wie froh und gleichzeitig überrascht wir alle waren, als Deutschland als erstes Land uns zur Hilfe kam. Ich erinnere mich, wie wir uns gefreut haben, als so viele Länder in dieser unglaublichen Zeit sich solidarisch zeigten. Ich erinnere mich aber auch an die Nachricht, dass einige Hilfstransporte durch Türkei und Aserbaidschan nach Armenien fuhren, auf die in türkischer Sprache geschrieben war: „Gratulation zum Erdbeben“.

Was ich nicht vergessen kann, sind auch die Menschen in Arzach (Berg-Karabach), die seit zwei Monaten in einer Blockade leben. Auch die Opfer des Völkermordes, der Massaker in Sumgait und Baku, die Opfer des asero-türkischen Angriffs auf Arzach kann ich nicht vergessen.

Auch kann ich nicht so tun, als ob wir nicht wissen, dass vor allem in der Türkei die Hilfe zu den Minderheiten nur mühsam kommt.

Dennoch dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gefühle und in die falsche Richtung ziehen. Wir können unsere Menschlichkeit nicht verlieren und uns gar nicht auf dieses Niveau herablassen, welches wir gesehen haben und welches uns entsetzt. Denn im gleichen Brief des Hl. Apostels lesen wir: „Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht“ (Röm 12, 14). Deshalb möchten wir als Christen allen Menschen in Not unser Mitgefühl aussprechen und wir möchten helfen, wo wir können, auch in der Türkei, auch in Syrien.

Wir möchten dem Rat des Hl. Apostel Paulus folgen, denn er hat gewusst, was Leid ist und es wohl oftmals selbst erlebt. Aus tiefer Erfahrung sowohl des Leides als auch der Freude im Christus, rät er der Gemeinde in Rom: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet“ (Rom 12, 12).

Ja, vielleicht bringen Beten und der geduldige Einsatz von Menschen, die es gut meinen, irgendwann auch die Hoffnung für Menschen in der Türkei und in Syrien zurück und sorgend dafür das Hass und Ungerechtigkeit verschwinden.

Pfr. Dr. Diradur Sardaryan