Was ist wahrer Glaube und
wie zeigt er sich in unserem Leben?

Predigt zu Markus 12, 35-44
V. Sonntag nach Hl. kreuz

Liebe Gemeinde,

heute lade ich euch ein, mit mir über eine grundlegende Frage unseres Glaubens nachzudenken: „Was bedeutet es, wahrhaftig zu glauben, und wie zeigt sich dieser Glaube in unserem Alltag?“ Wir hören im Evangelium nach Markus, Kapitel 12, die eindrücklichen Geschichten, die uns dazu anregen können, darüber nachzudenken – und ich verspreche euch, die Antwort könnte uns alle überraschen.

Zuerst begegnen wir Jesus in einem Dialog mit den Schriftgelehrten. Er fragt sie: „Wie können die Schriftgelehrten sagen, dass der Messias der Sohn Davids ist?“ (Markus 12,35). Hier geht es um so viel mehr als um eine theologische Diskussion. Jesus zeigt uns, dass es um ein tieferes Verständnis des Messias geht. Die Menschen erwarteten einen politisches Machtspiel, einen Befreier, der sie von den Römern erlösen würde. Doch Jesus bringt uns auf den Boden der Tatsachen zurück: Der Messias ist nicht nur ein Nachkomme Davids, sondern der Herr selbst, der zu uns kommt, um uns zu dienen und zu retten.

Diese Erkenntnis erhält eine ganz neue Dimension, wenn wir darüber nachdenken, wie oft auch wir Fehler in unseren Erwartungen haben. Wie oft denken wir, dass Gott uns Erfolg, Macht oder sogar Reichtum bringen wird? Die wirkliche Botschaft Jesu ist jedoch klar: Der wahrhaft Herrscher in Gottes Reich ist derjenige, der sich selbst hingibt. Er zeigt uns, dass Hingabe der Weg ist, um wahrhaftige Erfüllung zu finden.

In der zweiten Geschichte beobachtet Jesus die Menschen am Opferkasten im Tempel. Die Reichen geben große Summen, während eine arme Witwe nur zwei kleine Münzen einlegt. Und Jesus sagt: „Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten gelegt als alle anderen.“ (Markus 12,43). Das ist doch befremdlich, oder? Es ist kaum zu fassen, dass jemand, der so wenig hat, dennoch als großes Vorbild des Glaubens gilt.

Was können wir von dieser Witwe lernen? Ihr Opfer ist ein unmittelbarer Ausdruck ihres tiefen Vertrauens in Gott. Sie gibt nicht aus ihrem Überfluss, sondern aus ihrer Not. Sie vertraut darauf, dass Gott für sie sorgen wird, und genau das bedeutet, dass ihr Herz ganz bei Gott ist. Hierin liegt die Frage für uns: Wo liegt unser Vertrauen? Halten wir an unserem Besitz fest und glauben, dass er uns Sicherheit gibt? Oder sind wir bereit, in unserem Leben zu geben – sei es durch Zeit, Liebe oder Engagement – aus einem Herzen, das weiß, dass Gott uns niemals im Stich lässt?

Ich möchte euch ein Beispiel aus unserer eigenen Gemeinde nahebringen. Wir haben gemeinsam ständig die Gelegenheit, bei sozialen Projekten unserer Diözese und unserer Gemeinde zu helfen: Aktion „Weihnachtsfreude“ oder die Hilfe für die Vertreibenen aus Arzach seien hier kurz erwähnt. Viele von euch haben gespendet, sowohl materielle Dinge als auch ihre Zeit. Dieses Engagement war nicht nur eine großzügige Geste, sondern ein Ausdruck des Glaubens, dass wir gemeinsam als Gemeinde für einander da sind. Das wäre nie möglich gewesen, wenn wir nur an unserem eigenen Wohl festgehalten hätten. Wie sehr hat unser gemeinsames Handeln anderen Menschen Hoffnung geschenkt! Die Witwe in der Geschichte hätte darüber gelächelt und uns ermutigt, unser Herz zu öffnen.

Lasst uns auf die Botschaft Jesu hören – unsere Gaben, ob groß oder klein, sind wertvoll, wenn sie aus einem Herzen kommen, das Gott Vertrauen schenkt. Es sind nicht die materiellen Werte, die zählen, sondern die Liebe und Hingabe, mit der wir geben.

Wenn wir also Jesus nachfolgen wollen, dann bedeutet das, unsere Herzen zu öffnen und bereit zu sein, auch mal etwas von unserem „Überfluss“ loszulassen – sei es unser Geld, unsere Zeit oder unsere Liebe. Wir sind aufgerufen, aktiv zu werden und uns dafür einzusetzen, dass auch andere in unserer Gemeinschaft geliebt und unterstützt werden.

Lasst uns deshalb, inspiriert von der Witwe, unser Leben und unsere Ressourcen Gott anvertrauen. In diesem Sinne möchte ich an dieser Stelle meinen Dank all denen aussprechen, die mit ihren Mitgliedsbeiträgen die Mission unserer Diözese unterstützen. Gerne lade ich aber auch all diejenigen, die noch kein Mitglied der Diözese sind, es zu beantragen und mit einem monatlichen Beitrag die Kirche zu unterstützen. Mögen wir dabei die Größe des Glaubens erkennen, der nicht vom Materiellen besessen ist, sondern von einem Herzen, das bereit ist, alles für Gott zu geben und auf seine Versorgung zu vertrauen.

Ich ermutige euch, in dieser Woche darüber nachzudenken: Wie kann ich mein Herz und meine Gaben mehr für die Gemeinde und die Menschen in Not öffnen? Möge Gott uns die Kraft und den Mut geben, wie die Witwe zu leben – voller Vertrauen und mit einer Liebe, die keine Grenzen kennt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfarrer Dr. Diradur Sardaryan
Gemeindepfarrer der Armenischen Gemeidne
Baden-Württemberg