Wenn die Geduld auf die Probe gestellt wird
Kolumne von Pfarrer Diradur
Neulich teilte mir ein Gläubiger seine Sorge: „Der Hayr, ich brauche Ihre Hilfe. Da ist jemand auf der Arbeit, der mir so sehr auf die Nerven geht, dass ich kaum noch ruhig bleiben kann. Wie soll ich damit umgehen, ohne unprofessionell oder lieblos zu sein?“
Es war eine ehrliche Frage, eine, die viele von uns sicher nachvollziehen können. Es gibt Menschen, deren Verhalten uns fast zur Verzweiflung treibt – die uns unterbrechen, unsere Bemühungen sabotieren oder uns schlicht den letzten Nerv rauben. Was kann man da tun, besonders als Christ?
Die Versuchung, sich in den Ärger zu stürzen
Erste Reaktion ist immer Mitgefühl, das wir Menschen signalisieren, die uns ihre Sorgen teilen, und Dankbarkeit für das Vertrauen. Wie oft erleben wir ähnliche Situationen und reagieren spontan: mit Ärger, Frustration oder dem Wunsch, die andere Person einfach zu ignorieren. Doch Jesus ruft uns zu etwas Höherem. In Matthäus 5,44 sagt er: „Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen.“ Aber wie soll man das umsetzen, wenn man im Büro sitzt, oder in einem Werk Akkord arbeitet und der Kollege zum x-ten Mal eine unangemessene Bemerkung macht?
Ich erinnerte mich an eine Begebenheit aus dem Evangelium. Marta und Maria (Lk 10,38-42) hatten einen Konflikt, der heute fast alltäglich wirkt: Marta fühlt sich von Maria im Stich gelassen. Sie arbeitet und sorgt sich, während Maria nur zu Jesu Füßen sitzt. Marta ist verärgert und wendet sich sogar an Jesus: „Kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich die ganze Arbeit allein tun lässt?“ Jesu Antwort ist bemerkenswert: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen; nur eines ist notwendig…“
Maria und Marta
Als sie weiterzogen, kam er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden (Lk. 10, 38-42).
Diese Geschichte lehrt uns, dass unsere Reaktion oft entscheidender ist als das Verhalten der anderen. Wir können die Umstände oder die Menschen um uns herum nicht immer ändern, aber wir können uns von Gott helfen lassen, anders zu antworten.
Was ich in solchen Situationen empfehle:
Nach einem Moment des Nachdenkens schlage ich vor, fünf Dinge zu versuchen:
- Innerlich Abstand gewinnen und Ruhe finden: Bevor du auf die Person reagierst, nimm einen tiefen Atemzug und zähle innerlich bis drei. Ein solches Innehalten schenkt uns den Moment, in dem wir Gott bitten können, uns Geduld zu geben. Denn nichts ist so stark wie Sanftmut.
- Beten – und zwar für diese Person: Es klingt fast unmöglich, aber das Gebet für jemanden, der uns irritiert, verändert oft unser Herz. Es erinnert uns daran, dass auch die andere Person ein Kind Gottes ist. Und wer weiß? Vielleicht hat sie selbst einen schweren Tag oder trägt Lasten, die wir nicht kennen.
- Freundlich und klar Grenzen setzen: Nächstenliebe bedeutet nicht, alles hinzunehmen. Jesus selbst war sanft, aber bestimmt, wenn er Missverständnisse klärte. Ein respektvolles Gespräch mit der Person kann helfen, Missstände aus dem Weg zu räumen.
- Pflege dein inneres Gleichgewicht: Nutze Momente der Ruhe, um dich innerlich zu stärken – sei es durch Gebet, Stille oder die Lesung eines ermutigenden Bibelverses wie Jesaja 41,10: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich habe dich stark gemacht, ja ich habe dir geholfen und dich gehalten mit meiner siegreichen Rechten.“
- Suche das Gespräch, falls es möglich ist: Es ist immer gut, miteinander statt übereinander zu reden. Manchmal lassen sich Spannungen lösen, wenn man in einem ruhigen Moment freundlich, aber ehrlich miteinander spricht. Frag dich: Gibt es einen Weg, die Arbeitsbeziehung zu verbessern?
Die wahre Kunst der Geduld
Ich erinnere mich an die Geschichte, die mich stets bewegt hat. In Antoine de Saint-Exupérys Der kleine Prinz sagt der Fuchs: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Das ist schwer, wenn uns jemand herausfordert, doch genau darin liegt die wahre Kunst der Geduld: nicht auf die störenden Eigenheiten eines Menschen zu starren, sondern ihn mit dem Herzen zu betrachten. Vielleicht erkennen wir dann etwas anderes: ein Bedürfnis nach Anerkennung, eine verborgene Unsicherheit oder einfach eine andere Perspektive.
Am Ende will ich allen, die mit solchen Herausforderungen gerade beschäftigt sind, sagen: „Lass den Frieden Christi in deinem Herzen wohnen, und er wird dir die Kraft geben, mit Geduld und Liebe zu handeln.“ Der heilige Paulus schreibt in Philipper 4,7: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.“ Diesen Frieden wünsche ich uns allen, besonders in den Momenten, in denen die Geduld auf die Probe gestellt wird.
Ein Weg des Wachstums
Vielleicht können wir alle aus solchen Begegnungen etwas lernen – Geduld, Demut oder auch den Mut, respektvolle Grenzen zu setzen. Und wer weiß, gerade in der Hisnak-Zeit, aber auch jede Zeit: Vielleicht wird der Mensch, der uns so sehr herausfordert, eines Tages zu einer Gelegenheit für Wachstum und Heilung.
Denn Gott ist in jeder dieser Situationen gegenwärtig. Lassen wir IHN wirken, in uns und durch uns. So werden wir nicht nur das Beste aus schwierigen Momenten machen, sondern vielleicht auch etwas von seinem Frieden in die Welt bringen.