Die Kraft der Stille

Eine verlorene Kunst wiederentdecken

Heute beginnt in der armenischen Kirche die Fastenzeit der Vorfahren – eine heilige Zeit der Vorbereitung und inneren Reinigung. Eine Besonderheit dieser Tage ist, dass in der Kirche keine biblische Lesung stattfindet. Es ist, als ob das Wort Gottes für einen Moment schweigt. Doch in dieser Stille verbirgt sich eine tiefere Wahrheit. Ich nenne sie die göttliche StilleHeute beginnt in der armenischen Kirche die Fastenzeit der Vorfahren – eine heilige Zeit der Vorbereitung und inneren Reinigung. Eine Besonderheit dieser Tage ist, dass in der Kirche keine biblische Lesung stattfindet. Es ist, als ob das Wort Gottes für einen Moment schweigt. Doch in dieser Stille verbirgt sich eine tiefere Wahrheit. Ich nenne sie die göttliche Stille.Heute beginnt in der armenischen Kirche die Fastenzeit der Vorfahren – eine heilige Zeit der Vorbereitung und inneren Reinigung. Eine Besonderheit dieser Tage ist, dass in der Kirche keine biblische Lesung stattfindet. Es ist, als ob das Wort Gottes für einen Moment schweigt. Doch in dieser Stille verbirgt sich eine tiefere Wahrheit. Ich nenne sie die göttliche Stille.

Als ich neulich, kurz vor dem Gottesdienst, in der Kirche saß, umgeben von der besonderen Stille der beginnenden Fastenzeit, wurde mir wieder einmal bewusst: Wir haben verlernt, still zu sein. Diese Erkenntnis traf mich mit besonderer Intensität, als ich mein Smartphone in der Tasche vibrieren spürte – eine weitere Nachricht, die nach Aufmerksamkeit verlangte.

In diesen Tagen der Fastenzeit unserer Vorfahren verzichten wir bewusst auf die biblischen Lesungen im Gottesdienst. Ein ungewöhnlicher Gedanke, oder? Das Wort Gottes, das schweigt. Doch gerade in diesem Schweigen liegt eine tiefe Weisheit, die uns heute mehr denn je berühren kann.

Denken Sie einmal nach: Wann haben Sie zuletzt echte Stille erlebt? Nicht die erzwungene Stille eines defekten Fernsehers oder die peinliche Stille einer stockenden Konversation, sondern jene kostbare Stille, die uns mit uns selbst und mit dem Göttlichen verbindet. Eine Familie aus der Gemeinde erzählte mir kürzlich eine bewegende Geschichte. Ihr Fernseher war kaputtgegangen – ein vermeintliches Unglück. Doch dann geschah etwas Erstaunliches: Ihr kleiner Sohn, sonst oft unruhig und zerstreut, begann sich stundenlang in kreatives Spiel mit seinen Legosteinen zu vertiefen. „Es war, als hätten wir ein anderes Kind“, berichtete die Mutter mit Tränen in den Augen.

Diese Geschichte berührt mich zutiefst, weil sie zeigt, was wir unseren Kindern – und uns selbst – durch die ständige Berieselung nehmen. Wissenschaftliche Studien bestätigen, was wir im Herzen längst wissen: Zu viel Medienkonsum schadet der Konzentrationsfähigkeit und erstickt die Kreativität im Keim.

Doch wie können wir in unserem hektischen Alltag Räume der Stille schaffen? Ich möchte Sie zu einem Experiment einladen: Beginnen Sie den Tag nicht mit dem Griff zum Smartphone. Schenken Sie sich stattdessen fünf Minuten echte Stille. Vielleicht zünden Sie eine Kerze an, atmen bewusst und lauschen in sich hinein, sprechen Sie das Gebet „Herr, erbarme Dich“. Sie werden überrascht sein, wie diese kleine Übung Ihren ganzen Tag verändert.

In meiner seelsorgerischen Arbeit erlebe ich immer wieder, wie heilsam solche Momente der Stille sein können. Auf der Insel Juist gibt es eine bemerkenswerte Kirche, in der sich Menschen einfach nur zum gemeinsamen Schweigen treffen. Übrigens, das haben die Mönche in unseren Klöstern seit Jahrhunderten geübt – still zu sein. Was zunächst befremdlich klingen mag, wird dort zu einer tiefen Erfahrung von Gemeinschaft und göttlicher Gegenwart.

Die Fastenzeit unserer Vorfahren lädt uns ein, diese vergessene Kunst der Stille wiederzuentdecken. Nicht als weitere Pflichtübung in unserem übervollen Terminkalender, sondern als Geschenk an uns selbst. Denn in der Stille begegnen wir nicht nur Gott, sondern auch unserem wahren Selbst – mit all unseren Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen.

Lassen Sie uns gemeinsam kleine Inseln der Stille in unserem Familienalltag schaffen. Vielleicht beim gemeinsamen Abendessen ohne Fernseher im Hintergrund. Oder bei einem bewussten Spaziergang durch die Natur, wo das Zwitschern der Vögel und das Rascheln der Blätter zu einer natürlichen Meditation werden.

Denn eines wird mir in der besonderen Atmosphäre unserer kirchlichen Fastenzeit immer wieder bewusst: Gott spricht oft nicht im Donnerschlag der großen Ereignisse zu uns. Seine Stimme erreicht uns in den leisen Momenten, wenn wir innerlich still werden und lauschen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen den Mut zur Stille – sie könnte Ihr Leben verändern.

Pfr. Dr. Diradur Sardaryan
Gemeindepfarrer

Übungen der Stille

Wie können wir als Familien bewusst Räume der Stille schaffen? Hier sind einige einfache Anregungen:

  1. Ein ruhiger Start in den Tag
    Beginnen Sie den Morgen nicht sofort mit Nachrichten oder sozialen Medien. Ein kurzes Gebet oder einfach ein Moment der Stille kann den ganzen Tag prägen.
  2. Mahlzeiten ohne Ablenkung
    Versuchen Sie, Mahlzeiten ohne Fernseher oder Handy zu gestalten. Diese gemeinsame Stille schafft Raum für echte Gespräche und stärkt die familiäre Bindung.
  3. Stille Spaziergänge
    Gehen Sie mit Ihren Kindern in die Natur und hören Sie bewusst auf die Geräusche um Sie herum. Das Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Blätter – all das sind Wege, durch die Gott zu uns spricht.
  4. Eine stille Zeit am Abend
    Statt den Tag mit Fernseher oder Handy zu beenden, kann die Familie eine gemeinsame Zeit der Ruhe einführen. Vielleicht eine Kerze anzünden, ein Buch lesen oder einfach gemeinsam schweigen.