Frühlingszauber und Poesie

Man könnte meinen, die Natur schöpfe an genau diesem Tag aus einer Geheimrezeptur, wenn sie nach und nach den Duft des Frühlings freigibt, wie ein vorsichtig gelüftetes Parfumfläschchen. Der 1. März – als habe er ein stilles Abkommen mit dem Wechsel der Jahreszeiten geschlossen – markiert jenen Moment, an dem die Natur so sacht erwacht, dass man unwillkürlich innehält, um die feinen Bewegungen zu erspüren. Noch ist der Himmel nicht ganz frei von winterlichem Grau, doch ein ahnungsvoller Hauch von Licht legt sich auf die Wiesen, die eben noch von Frost erstarrt waren.

Frühling und deutsche Lyrik

In der deutschen Literatur herrscht seit Jahrhunderten eine verliebte Begeisterung für das Wiedererwachen der Erde. Ob Eduard Mörike mit seinen berühmten Zeilen „Frühling lässt sein blaues Band …“ oder Rilke, dessen Verse wie zart gefaltete Blütenkelche glänzen: Sie alle besingen diese zögernde, aber unaufhaltsame Rückkehr des Lichts. Die Hoffnung breitet sich dabei aus wie ein sonnenwarmes Tuch über den noch kühlen Boden – manchmal schwungvoll, manchmal behutsam. In dieser Tradition steht auch Heinrich Heine, ein Dichter, der es verstand, den jungen Frühlingswind auf seinen Zeilen tanzen zu lassen.

Heinrich Heine

Die Wellen blinken und fließen dahin –
Es liebt sich so lieblich im Lenze!
Am Flusse sitzt die Schäferin
Und windet die zärtlichsten Kränze.

Das knospet und quillt, mit duftender Lust –
Es liebt sich so lieblich im Lenze!
Die Schäferin seufzt aus tiefer Brust:
„Wem geb ich meine Kränze?“

Ein Reuter reitet den Fluss entlang,
Er grüßt so blühenden Mutes!
Die Schäferin schaut ihm nach so bang,
Fern flattert die Feder des Hutes.

Sie weint und wirft in den gleitenden Fluss
Die schönen Blumenkränze.
Die Nachtigall singt von Lieb und Kuss –
Es liebt sich so lieblich im Lenze!

Հեղ. Հայնրիխ Հայնե
Թարգմ. Տիրատուր քհն. Սարդարյան

Ալիքները փայլում են, հոսում են հեռուն –
Գարնանը սիրելը քնքուշ է այնքան։
Գետակին ափին նստած Հովվուհին,
Պսակ է հյուսում՝ սիրով խանդավառ։

Բողբոջներն են բացվում, բուրում են մեղմիկ –
Գարնանը սիրելը քնքուշ է այնքան։
Հովվուհին հառաչում է, լացում վշտագին.
«Ո՞ւմ ես նվիրեմ պսակն իմ անգին»։

Հեծվորն է անցնում գետի երկայնքով,
Ողջույն է տալիս ժպիտով պայծառ։
Հովվուհին նայում է՝ շփոթված ու խոհ,
Իսկ նա հեռանում է, կորչում է անհույս։

Լալիս է աղջիկը, նետում գետակին
Ծաղկեպսակն իր՝ սրտի բանալին։
Սոխակը երգում է սիրո մեղեդին –
Գարնանը սիրելը քնքուշ է այնքան։

Ein armenisches Frühlingsidyll

Auch in der armenischen Dichtung hat das Frühlingserwachen seit jeher einen ganz besonderen Klang. Die schroffen Bergzüge Armeniens, die in der Märzsonne manchmal beinahe rosig wirken, streifen ihr winterliches Schweigen ab. Aprikosenbäume erheben sich in zartem Weiß und Rosa, während die Dichter in ihnen nicht bloß Blüten, sondern Zeichen der Erneuerung erblicken. Hovhannes Tumanyan, Shiraz, Hamo Sayan oder der unvergessene Vahan Teryan – sie alle haben den Zyklus von Sterben und Werden in anrührende Verse gegossen. Gerade Teryan verleiht dem Augenblick, in dem die Natur zu neuem Leben ausbricht, eine beinahe mystische Zärtlichkeit:

Վահան Տերյան

Գարունը այնքա՛ն ծաղիկ է վառել,
Գարունը այնպե՛ս պայծառ է կրկին.
— Ուզում եմ մեկին քնքշորեն սիրել,
Ուզում եմ անուշ փայփայել մեկին։

Այնպե՛ս գգվող է երեկոն անափ,
Ծաղիկներն այնպես նազով են փակվում.
— Շուրջըս վառված է մի անուշ տագնապ,
Մի նոր հուզում է սիրտըս մրրկում…

Անտես զանգերի կարկաչն եմ լսում,
Իմ բացված սրտում հնչում է մի երգ.
— Կարծես թե մեկը ինձ է երազում,
Կարծես կանչում է ինձ մի քնքուշ ձեռք…

Autor: Vahan Teryan
Übersetzung: Pfr. Dr. Diradur Sardaryan

Der Frühling hat tausend Blüten entfacht,
so leuchtend, so jung in schimmernder Pracht.
— Wie sehn’ ich mich danach, zärtlich zu lieben,
ein Herz voller Sehnsucht in Armen zu wiegen.

Der Abend ist weich, unendlich und sacht,
die Blumen sich schließen in schweigender Nacht.
— Ringsum entflammt eine süße Beklommenheit,
ein flüsterndes Wehen durchzittert mein Leid…

Ich höre das Läuten verborgener Glocken,
ein Lied durchbebt meine Seele, verborgen.
— Als träumte da jemand von mir,
als rief mich heimlich ein Flüstern zu dir…

Mit diesen Zeilen durchzieht die armenische Lyrik eine fast verspielte Harmonie, die sich zugleich tief im Menschlichen verwurzelt. Man ahnt in jedem Bild, in jeder Silbe, wie innig Leben und Hoffen miteinander verwoben sind.

Ein biblischer Frühlingshauch

Wie ein zarter Faden fügt sich schließlich das Wort aus der Bibel hinzu, das uns leise zuflüstert, dass der Schöpfungsgeist sich stets neu entfaltet. Im Hohelied finden wir jene unvergleichlichen Verse, die die Sanftheit des Aufbruchs in atemraubender Schlichtheit malen: „Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin. Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande. Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften.“ (Hohelied 2,11-13). Darin liegt eine dieser seltenen Stellen, an denen man fast den Pulsschlag des Universums zu hören glaubt. Manch einer mag darin die Stimme der Liebe hören, andere die Verheißung ewiger Wiederkehr – in jedem Fall ist es ein betörendes Bild von Aufbruch und Anmut.

Eine Einladung zum neuen Anfang

So scheint der 1. März weniger ein bloßes Kalenderdatum zu sein als vielmehr ein Wink, die Sinne zu spitzen. Das Leben, das über die Monate der Stille hinweg wie tief vergraben schlummerte, taucht wieder empor: in Gedichten, in Liedern, aber auch in unseren Herzen. Wer die Frühlingsluft atmet, der atmet Hoffnung – Hoffnung, dass selbst in den unwirtlichsten Landstrichen unseres Inneren plötzlich eine Blume aufgehen kann.

Und das ist die vielleicht größte Überraschung: Nicht das laute Frohlocken, sondern das behutsame Erspüren macht diesen Übergang kostbar. So ist der 1. März nicht nur ein Aufblühen für die Natur, sondern auch ein stiller Weckruf für unsere Träume und Sehnsüchte. Ganz leise, fast unbemerkt, breitet er ein Versprechen aus, das heller ist als jeder Winter je dunkel war: Alles kann noch einmal von vorn beginnen. Wenn das kein Trost ist, den wir wie einen unsichtbaren Frühlingskranz um unser Herz legen möchten!

Pfr. Dr. Diradur Sardaryan
Gemeindepfarrer