Die Welt verstummt. Der Himmel verhüllt sein Angesicht. Die Schöpfung hält den Atem an. Am Karfreitag treten wir ein in jenes heilige Schweigen, das entsteht, wenn das Wort selbst verstummt.

Die zahlreichen Lesungen dieses Tages – von Johannes bis Jesaja, von den Psalmen bis zu den Propheten – umkreisen das Unbegreifliche: Der Schöpfer stirbt in seiner Schöpfung. „Der Diener des Herrn“, wie Jesaja ihn nennt, „verachtet und von den Menschen verlassen“, trägt unsere Schmerzen und Krankheiten. Was für ein Paradox! Der, durch den alles Leben seinen Ursprung hat, haucht sein Leben aus am Kreuz.

Die Evangelien berichten nüchtern, fast protokollarisch von den Ereignissen: Die Verhaftung im Garten Gethsemane, das ungerechte Verhör, die Verleugnung des Petrus, die Geißelung, die Dornenkrönung, der Kreuzweg, die Kreuzigung. Jedes Detail erfüllt die Prophezeiungen, die Jahrhunderte zuvor ausgesprochen wurden. „Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt… Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand.“ Die alten Worte werden furchtbare Wirklichkeit.

Besonders bewegend ist die Grablegung des Herrn (Johannes 19,38-42), die im Zentrum der armenischen Karfreitagsgottesdienstes steht. Josef von Arimathäa, ein heimlicher Jünger, tritt plötzlich aus dem Verborgenen, bittet Pilatus um den Leichnam Jesu. Mit ihm kommt Nikodemus, der einst bei Nacht zu Jesus kam – zwei Männer, die im entscheidenden Moment ihren Glauben öffentlich machen, als die engsten Jünger geflohen waren.

Sie nehmen den Leib Jesu vom Kreuz, salben ihn mit kostbaren Ölen und wickeln ihn in Leinentücher. Eine letzte Geste der Liebe, der Ehrfurcht, des Abschieds. Dann legen sie ihn in ein neues, in Felsen gehauenes Grab – der Schöpfer ruht im Schoß seiner Schöpfung. Ein schwerer Stein wird vor den Eingang gewälzt. Dunkelheit. Stille. Ende.

Was bedeutet diese Grablegung für uns? Sie erinnert uns daran, dass Gott bis in die äußersten Tiefen menschlicher Existenz hinabgestiegen ist – bis in den Tod, bis ins Grab. Es gibt keinen Ort mehr, an dem Gott nicht gegenwärtig wäre, keine Dunkelheit, die er nicht kennt, keine Verzweiflung, die er nicht geteilt hätte.

Die armenische Tradition vollzieht dieses Mysterium nicht nur als historisches Ereignis, sondern als gegenwärtige Erfahrung. Wir sind eingeladen, mit Josef und Nikodemus den Leib des Herrn vom Kreuz zu nehmen, ihn zu salben, zu bewahren, zu bergen. Dies geschieht in jedem Akt der Barmherzigkeit, in jeder Zuwendung zu den Leidenden, in jedem liebevollen Bewahren seiner Worte.

Zacharias hatte prophezeit: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben, und um ihn trauern, wie man um den einzigen Sohn trauert.“ Der Karfreitag lädt uns ein zu dieser Trauer – nicht als hoffnungslose Verzweiflung, sondern als tiefe Begegnung mit dem gekreuzigten Gott, der unsere Gebrochenheit teilt.

Im Angesicht des Grabes Christi verstehen wir: Selbst im tiefsten Schweigen, in der finstersten Nacht, ist Gott anwesend. Und während die Welt ihn für endgültig begraben hält, bereitet sich im Verborgenen bereits das Unglaubliche vor.