Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben;  sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück.

Lk. 24, 50-52.

Am 40. Tag nach der Auferstehung des Herrn, feiern wir die Himmelfahrt Jesu Christi. Ein Fest der auf einem ersten Blick so viele Fragen aufwirft und welches gleichzeitig aber ein Fest des Lebens ist, des Lebens in einer Gemeinschaft mit Gott.

Einige würden sagen, es sei ein eher mythisches Weltbild, welches hier vorgestellt wird: Der menschgewordener Sohn Gottes sei nach seiner Kreuzigung „niedergefahren zur Hölle“ und nun, 40 Tage nach seiner Auferstehung sei er „aufgefahren in den Himmel“. Wie soll denn der heutige Mensch die Welt als ein dreistöckiges Gebilde vorstellen?

Andere würde fragen, wie denn es sein kann, dass nach dem endgültigen Abschied die Jünger Christi „in großer Freude“ nach Jerusalem zurückkehren.  Oder wo denn nun „zur Rechten des Vaters“ sei und was eigentlich das Versprechen einer „Wiederkunft“ (Apg 1, 11) bedeutet.

Es war eine begrenzte Zeit, in welcher der Auferstandene seinen Jüngern erscheint. Darüber berichten nicht nur die Evangelien, sondern auch der heilige Paulus in seinem Brief an die Korinther (1. Kor. 15). Dabei geht es vor allem darum den Jüngern, die nach der Kreuzigung verzweifelt und in Trauer gefallen waren, zu zeigen: Jesus ist am Leben und sie sollten über dies bezeugen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1, 8). Der Auftrag, die Sendung ist ganz klar. Als Zeugen werden die in die Welt gesendet um das Evangelium des Lebens zu verkünden: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern;“ (Mt 28, 19). Durch die Weitergabe der Gebote Christi und durch die Taufe soll die Welt sich mit dem Herrn Vereinen. Dabei werden die Gesandten vom Jesus Christus gesegnet und bekommen die Gewissheit, dass der Herr sie nicht alleine lässt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20).

Gleichzeitig lesen wir: Während Jesus Christus seine Jünger segnete, „verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben“ (LK 24, 51). Was bedeutet diese Himmelfahrt? Wir glauben, dass Wort Gottes, die zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit Mensch geworden ist, damit wir Vergöttlicht werden können. Die Himmelfahrt ist in diesem Sinne die Bestätigung dieses Glaubens. Christus, der Menschgewordene Sohn Gottes bringt das menschliche Wesen in das Innere Gottes und gibt denen, die seinen Geboten folgen die Möglichkeit, sich mit Gott zu vereinen. Wenn wir also über die Himmelfahrt sprechen, sollten wir uns keinen bestimmten Ort, keinen kosmischen Raum vorstellen. Denn Gott ist nicht in einem Raum neben anderen. Als Gott ist er der Schöpfer, der Ursprung, der Grund von allem, auch von den Räumlichkeiten. Wir verwenden den Begriff „Himmel“ um die unendliche Erhabenheit Gottes zu schildern. Der „Himmel“ und das „Sitzen zur Rechten Gottes“ ist also die Teilhabe des Menschen am Göttlichen.

In diesem Sinne ist der Himmelfahrt Jesu Christi kein weggehen. Er verabschiedet sich nicht von den Aposteln um irgendwo hin zu gehen, wo keiner ihn finden kann. Er ist nicht im Kosmos zu suchen, irgendwo hinter den Sternen. Nein, er geht hin zu eine ständige, immerwährende, Gemeinschaft mit Gott ein. Er ist deshalb nicht weg. Er ist immerdar. Er ist für uns da.

Erst aus diesem Hintergrund heraus begreifen wir, warum das Evangelium von Jüngern Christi spricht, die nach seiner Himmelfahrt, nach dem, auf ersten Augenblick endgültigen Abschied, „mit großer Freude“ heimkehren (Lk. 24,52). Für die Jünger war es kein Abschied. Sie waren voll der Gewissheit, dass der Gekreuzigte lebte, dass er den Tod besiegt hat und somit dem die Tore des ewigen Lebens für immer geöffnet hat. Der Himmelfahrt ist also keine Abwesenheit. Jesus selbst sagt seinen Jüngern: „Ich gehe und ich komme zu euch“ (Jh. 14, 28). Vielleicht hilft uns ein Blick auf die Fürbitte Christi für die Gläubigen, die er kurz vor seiner Passion ausspricht, zu verstehen, dass Beim-Vatter-Sein Christi, seine Nähe und das Eins-Sein des Menschen mit Gott bedeutet: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Jh 17, 21-23).

In der Apostelgesichte lesen wir: „Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“ (Apg 1, 10-11). Die Jünger Christi und mit Ihnen auch alle Gläubigen sollten nicht in die Zukunft starren, nicht auf die Stunde seiner Wiederkunft warten. Nein, sie sollten begreifen, dass er gar nicht aufhört, immer anwesend zu sein! Gott versucht immer wieder dem Menschen zu zeigen, dass er allgegenwertig ist, überall und erfüllt alles. In ihm ist nun auch der Menschgewordene Sohn Gottes. Er ist beim Vatter, im „Himmel“. Er schaut auf uns zu und sorgt für uns. Er ist immer in der Nähe.

Es sind wir, Menschen, die wir manchmal uns von ihm entfernen, ihn vergessen, ihn gar nicht merken möchten. Es sind wir, dass wir vergessen um welchen Preis wir nun bei der Himmelfahrt Christi die Möglichkeit bekommen uns mit Gott, mit unserem Schöpfer wieder zu vereinen und in das Haus unseres himmlischen Vaters zurückzukehren. Der Heilige Apostel und Evangelist Johannes bemüht sich mit dem Wort „Erhöhung“, welches im alttestamentlichen Gedankengut die Einsetzung in die Königswürde zum Ausdruck brachte, gleichzeitig den Vorgang der Kreuzigung zu deuten. Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt stehen hier in einer engen Verbundenheit (vgl. 8,28; 12,32 f). Das Kreuz ist der Königsthron. Der Weg dorthin – die Passion des Unschuldigen für unsere Sünden, für unser Fehlverhalten… Und doch, der Gekreuzigte ist Auferstanden und besiegt den Tod. Er gibt jedem Einzelnen die Möglichkeit sich mit Gott zu versöhnen und zu vereinen. Auf seinem Thron sitzt er mit weit geöffneten Armen um jeden zu empfangen und zu umarmen, der an ihn glaubt und seine Gebote hält.

Dass, was vor mehr als 2000 Jahren in Betanien geschah, geschieht auch heute. Wir glauben, dass der allgegenwertige Herr Jesus Christus, in dem er in den Himmelgefahren ist, auch in diesem Augenblick seine Hände erhoben über seine Gläubigen hält und sie segnet. Es ist nun die Aufgabe der Gläubigen in großer christlicher Freude, wohl in der Gewissheit über die Gegenwart Christi, mit großer Freude sein Wort zu verkünden und Gott zu preisen wie gestern und heute, so auch in der Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen.

Pfr. Dr. Diradur Sardaryan