Am Freitag des Arajavorats Fasten (Das Fasten der Vorfahren) gedenkt die Armenische Kirche den Propheten Jonas, als einen besonderen Beispiel der Räue und des Gebetes, sowie die Gnade Gottes über alle Völker der Welt.

Der Name des Propheten ist mehr als nur eine Anspielung. Es ist ein Verweis auf einen aus den Königebüchern bekannten Propheten (siehe 2 Könige 14,25). Jona, der Sohn des Amittais, hatte König Jerobeam II (787-747 v. Chr.) die Rückeroberung zuvor verlorener israelitischer Gebiete als Gnadenakt Gottes aufgrund des Elends Israels angekündigt, obwohl der König sich gegen Gott versündigte. Am Ende des Buches Jona wird dem Leser diese Art der Gottes Gnaden offenbart, aber gegenüber einem fremden Volk, nicht dem Israelischen.

Gott schickt Jonas in die heidnische Stadt Ninive, um ihre Einwohner zur Umkehr zu bringen. Zu Beginn seines Dienstes teilt Jona die damals allgemein von Juden akzeptierte Meinung, dass alle Heiden Gottes Feinde sind und nur seinen Zorn und seine Strafe verdienen. Gott aber, der unbegrenzt in seiner Barmherzigkeit ist, will ihm zeigen dass Seine Barmherzigkeit der gesamten Schöpfung gilt. In diesem Sinne ist das Buch Jona eine Offenbarung der Liebe Gottes, die nicht nur das auserwählte Volk, sondern alle Menschen anspricht. Dieser Gedanke wird einer der wichtigsten im Neuen Testament werden.

Jonas muss begreifen, dass Gott, obwohl Er das jüdische Volk auserwählte und einen Bund mit ihm schloss, auch andere Völker nicht verlässt. Doch anstatt das Gebot Gottes zu erfüllen, will er von Gott fliehen. In der Stadt Jafo (heute Jaffa), bestieg Jona ein Schiff „um nach Tarschisch mitzufahren, weit weg vom Herrn“ (Jona 1, 3). Während der Überfahrt erhebt sich ein heftiger Sturm. Das Schiff wird von Zerstörung bedroht. Die Seeleute bekommen Angst und appellierten an ihre Götter. Doch Jona ist unbekümmert. Er geht ins Innere des Schiffes hinunter, legt sich hin und schläft fest ein.

Der Kapitän des Schiffes weckt den Propheten und sagt: Steh auf, ruf deinen Gott an; vielleicht denkt dieser Gott an uns, sodass wir nicht untergehen (Jona 1, 6).

Die Seeleute beschließen Lose zu werfen, um herauszufinden, wer den Sturm verursacht hatte. Denn es wurde, sowohl unter den Juden als auch unter den Heiden, angenommen, dass die Sünden der Menschen schuld an Katastrophen sind. Das Los fiel auf Jona. Die Seeleute fragten ihn: Wer er ist und woher er kommt. Worauf Jona antwortet: Ich bin Jude, ich ehre den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Land geschaffen hat (Jonah 1, 9). Dann sagt Jona, dass er vor der Gegenwart des Herrn davonlief. Die Seeleute werden von Angst erfasst. Sie fragen, was sie damit machen sollen, um den Sturm zu beruhigen. Jonah bittet darum, ins Meer geworfen zu werden, um sicherzustellen, dass sich das Meer beruhigt. Diese Bitte enthält sowohl ein tiefes Bewusstsein der eigenen Schuld vor Gott als auch eine Opferleistung. Der Prophet erhebt sich in die Höhe der Liebe, wie wir sie aus dem neutestamentlichen Evangelium kennen. Er sieht seinen Tod als den einzigen Weg, unschuldige von der Gefahr zu retten. Der Prophet Jona ist hier eine Art Erlöser, der zu Tode gelitten hat, um andere Menschen zu retten.

Seeleute werfen Jonas ins Meer. 1286. Lektionar von Hetum II – Cod. 979, Seite 199.

Bevor die Seeleute Jonas Bitte erfüllten, wenden sie sich mit Gebet an den Gott, den Jona bekennt. Sie werfen Jona ins Meer und der Sturm lässt sofort nach. „Da gerieten die Männer in große Furcht vor dem Herrn und sie schlachteten für den Herrn ein Opfer und machten ihm Gelübde“ (Jona 1, 16).

Doch im Gegensatz zu der Meinung der Seeleute, wird es weiter offenbart, dass der Gott Jonas, nicht den Tod des Sünders will: ohne auf irgendwelche Bitten Seitens des Jona zu warten, eilt Gott ihm zur Hilfe. Er schickt ihm einen großen Fisch, der Jona verschlingt und nach drei Tagen wieder ans Ufer spuckt. (Später wird Jesus Christus auf dieses Ereignis verweisen, um sein dreitägiges Begraben-Sein zu prophezeien (Mt. 12, 40)). Während dieser drei Tage betet Jona zu Gott, denn er bereut es, dem Willen Gottes nicht gehorcht zu haben. Er erkennt jetzt an, dass Gott der Retter ist und verspricht, ihm zu gehorchen (2,10).

Nun will Gott, dass der Prophet erneut nach Ninive geht und dort das Wort Gottes verkündigt und der Stadt mit ihrer Zerstörung droht, falls die Bewohner Ihre Missetaten nicht bereuen. Jona gehorcht und bricht auf.

Das schreckliche Wort des Propheten über die bevorstehende Zerstörung der Stadt trieft die Herzen des Königs und seines Volkes. Sie bereuen ihre Bosheit und zwingen sich und ihrem Vieh ein strenges Fasten auf. Vorauf Gott die Stadt und ihre Bewohner verschont. Die menschliche Schwäche überholt Jona. Anstatt sich darüber zu freuen, ist er erbost. Er, der die Barmherzigkeit Gottes erfahren hat, ist nicht bereit zu akzeptieren, dass Gott auch denjenigen gnädig ist, die Jona für schlecht und verloren ansieht.

Erzürnt über Gott, weil er sich überflüssig und von Gott ausgenutzt fühlt, geht Jona so weit, dass er Gott im Gebet bittet, ihm das Leben zu nehmen (Jona 4,3). Gott antwortet, indem er Jona bittet noch einmal darüber nachzudenken, warum er so zornig ist und fragt ihn nach dem Grund seiner Haltung: „Ist es recht von dir, zornig zu sein?“ (Jona 4,4).

Weil er wissen will, was mit der Stadt geschehen wird, setzt sich Jona in den Schatten eines Laubdaches, dass er selbst gebaut hat, und wartet. Gott lässt daraufhin eine Pflanze wachsen, um Jona Schatten zu spenden und dessen Wut zu besänftigen (Jona 4,6). Doch am nächsten Tag schickt Gott einen Wurm der die Pflanze eingehen lässt (Jona 4,7). Verstört durch den Verlust der Pflanze, bittet Jona Gott noch einmal, ihn sterben zu lassen (Jona 4,8). Gott befragt ihn erneut, um zu erfahren, ob Jona das Recht hat, durch den Verlust der Pflanze verletzt zu sein. Jona bejaht dies. Gott vergleicht daraufhin die Beziehung Jonas zu dieser Pflanze, für die er nichts tat mit Gottes Fürsorge für die Stadt Ninive, mit ihren 120 000 Einwohnern.

Das Buch Jona ist eine Anklage gegen den Nationalismus, und jeglicher Partikularismus. Im Neuen Testament wird das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“  (Lk 15,11–32) diesen Moment in der Reaktion des ältesten Sohnes aufgreifen. Ob als „erwählter Volk“ oder „gerechter Einzelperson“ gäret die Menschheit immer wieder in die Versuchung es besser zu wissen als der Schöpfer der Welt.

Wir sind aufgerufen, sich zum einen mit der Figur des Jona, dem ungehorsamen Propheten, zum anderen aber auch mit der heidnischen Stadt, die fähig war das Wort Gottes zu verstehen und zur Erkenntnis und zur Umkehr zu gelangen zu identifizieren. Wir sind eingeladen demütig zu sein, unseren Feinden zu verzeihen, wenn sie Reue zeigen und um Verzeihung bitten, und sie zu lieben. Wir sind eingeladen die lebendigmachende Hoffnung zu haben, dass der Glaube an Gott, die Reue für Missetaten und Umkehr zum Leben nach dem Willen Gottes uns ermöglichen die Gnade, die Barmherzigkeit und die unendliche Liebe Gottes in unserem Leben zu spüren.

Gott ist größer als unser Herz, er vergibt den Heiden und den Sündern, wenn sie zu Reue kommen, er ist der Schöpfer aller Menschen, er „hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3, 16).

Pfr. Dr. Diradur Sardaryan