Der Tag des Herrn.
Wie sie Leben verändern kann.
Wort des Pfarrers
Liebe Gemeinde,
wieder einmal ein gesegneter Tag. Mit unseren Landsleuten in Karlsruhe feierten wir in der Altkatholischen Kirche den armenischen Surb Patarag. An diesem letzten Gottesdienst vor meiner Dienstreise nach Armenien und kurz bevor viele unserer Landsleute in Baden-Württemberg in den Urlaub fahren, wurden wir durch die Lesung aus Jesaja 58,13 – 59,7 dazu eingeladen, über unsere Prioritäten nachzudenken.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem vollen Zug, der durch eine atemberaubende Landschaft fährt. Draußen sehen Sie wunderschöne Berge, glitzernde Flüsse und blühende Felder. Aber im Zug sind die Menschen abgelenkt, vertieft in ihre Handys und völlig in ihren eigenen Welten. Sie bemerken die Schönheit um sie herum nicht. Es ist nicht so, dass diese Schönheit nicht existiert. Vielmehr sehen diese Menschen die Schönheit deshalb nicht, weil sie auf etwas anderes konzentriert sind.
Gott lädt uns ein, den „Zug des Alltags“ für einen Moment zu verlassen und die Schönheit und Ruhe seiner Gegenwart zu genießen. Der Tag des Herrn, Kiraki, ist mehr als nur ein Tag der Ruhe – es ist eine Zeit, um uns zu erneuern und unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen.
Denken Sie an die Geschichte von Martha und Maria im Neuen Testament. Laut dem Johannesevangelium waren Maria und Martha Schwestern des Lazarus aus Betanien. Die drei waren eng mit Jesus und den Jüngern befreundet und unterstützten sie durch ihre Gastfreundschaft. Besonders Martha bemühte sich sehr, Jesus angemessen zu bewirten, während Maria „sich dem Herrn zu Füßen setzte und seiner Rede zuhörte“ (Lukas 10,39). Martha war frustriert, aber Jesus sagte: „Maria hat den guten Teil gewählt.“ Wir alle haben „Martha-Momente“, in denen wir so beschäftigt sind, dass wir das Wesentliche vergessen. Aber wir sind eingeladen, zumindest einmal in der Woche wie Maria zu sein und uns Zeit zu nehmen, um in der Gegenwart Gottes zu ruhen.
Doch oft fallen wir in die Alltagshektik, setzen falsche Prioritäten und verlieren langfristig unsere physische und seelische Gesundheit. So verlieren wir auch die Beziehung zu Gott. Jesaja 59,1-2 sagt:
„Siehe, die Hand des Herrn ist nicht zu kurz, um zu retten, und sein Ohr ist nicht schwer geworden, um zu hören; sondern eure Missetaten trennen euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass er nicht hört.“
Wie oft lassen wir uns von unseren eigenen Sünden und Fehlern überwältigen? Wir denken, dass wir alles alleine schaffen müssen, und vergessen, dass Gott immer bereit ist, uns zu helfen. Seine Hand ist nie zu kurz, um uns zu retten. Unsere Fehler mögen uns von Gott trennen, aber seine Liebe und Vergebung sind immer verfügbar.
Wenn wir Gott in unserem Leben vernachlässigen, bricht alles zusammen. Wir arbeiten ständig, um mehr zu erreichen, aber nichts erfüllt uns. Stress, Burnout und Depressionen plagen uns. Wenn wir stattdessen regelmäßig Zeiten der Stille und des Gebets in unseren Alltag integrieren, wird sich unser Leben merklich verändern.
Ich möchte Sie ermutigen, diesen Sommer das Herzensgebet zu erlernen und zu praktizieren. Es ist eine einfache, aber tiefgehende Form des Gebets, bei der wir unser Herz öffnen und in die Stille vor Gott treten. Es hilft uns, inneren Frieden zu finden und unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen. Versuchen Sie es einmal am Tag, dreimal nacheinander zu beten:
„Herr Jesus Christus, erbarme Dich!“
Nehmen Sie sich auch Zeit, in den Sommerferien die 21 Kapitel des Johannesevangeliums zu lesen. Die Geschichten und Lehren darin inspirieren und schenken neue Einsichten in das Leben und die Liebe Jesu zu uns. Lesen Sie es in Ruhe, vielleicht an einem schönen Ort in der Natur, und lassen Sie die Worte auf sich wirken.
Die Sünden und Ungerechtigkeiten, die wir täglich erleben, vermehren das Elend in der Welt. Doch selbst in dieser Dunkelheit gibt es Hoffnung. Denken Sie an die Geschichte des verlorenen Sohnes. Nachdem er sein Erbe verschwendet hatte und in tiefstem Elend lebte, kehrte er zu seinem Vater zurück. Er erwartete Strafe, aber sein Vater lief ihm entgegen, umarmte ihn und feierte seine Rückkehr. So ist unser Gott – er wartet immer mit offenen Armen auf uns, egal wie weit wir gefallen sind.
In einer Welt, die oft von Ungerechtigkeit und Chaos geprägt ist, ist Gott unsere Hoffnung. Wenn wir uns schwach und hilflos fühlen, können wir auf seine Stärke vertrauen. Er ist unser Heil und Erlöser. Um das zu erkennen, sollten wir auch Zeit finden, darüber nachzudenken, zu beten.
Erholung und spirituelle Praxis gehen Hand in Hand. Nutzen wir die Sommerzeit, um Körper, Geist und Seele zu erfrischen. Nehmen Sie den Sonntag und auch den Urlaub ernst. Vor allem der Sonntag gehört Gott, Ihnen und Ihrer Familie – aber nicht der Arbeit. Menschen, die Gott kennen und in ihm nicht nur den machtvollen Schöpfer, sondern auch ihren liebenden Erhalter sehen, können loslassen – Arbeit, Ansprüche, Sorgen und Dringlichkeiten. Können zur Ruhe kommen, ganz so, wie Gott es sich von Anfang an für uns gedacht hat.
Ehren Sie also den Tag des Herrn, auch in der Urlaubszeit. Finden Sie Ruhe in Gott, und befreien Sie sich von seelischer und physischer Last. Machen Sie mehr Platz für das Licht der Erkenntnis Gottes, damit Sie auch nach außen strahlen und mehr Licht in die Welt bringen können.
Mögen Sie in dieser Zeit der Erholung die tiefe Freude und den Frieden Gottes erfahren. Gott ist unsere Stärke und unser Heil. Er ist unser Hirte, der uns weidet. Nichts wird uns fehlen.
Amen.
Pfr. Dr. Diradur Sardaryan