Das Osterfest – Surb Zatik – ist eines der bedeutendsten Feste der Armenischen Kirche und tief im Volksleben verankert. Neben den liturgischen Feiern existiert ein reicher Schatz an traditionellen Bräuchen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden und bis heute das Leben in vielen Gemeinden prägen.
Die Feierlichkeiten begannen traditionell am Karsamstagabend mit der Osternachtsliturgie, bei der das Fasten feierlich beendet wurde. Gläubige zündeten Kerzen an, die das Licht Christi symbolisieren, und teilten das gesegnete Ei – Zeichen neuen Lebens und des Fastenbruchs. Dieser Brauch wurde als „Nacht des Eintauchs“ bezeichnet, bei dem das Ei symbolisch in Salz oder Wasser „getaucht“ wurde.
Ein altes Ritual war das Herabnehmen der Strohpuppe „Aklatiz“, die die sieben Wochen der Großen Fastenzeit und die Disziplin symbolisierte. Mit ihrer Entfernung wurde die Zeit des Feierns eingeläutet.
Am Ostersonntagmorgen wurde die feierliche Liturgie gefeiert, verbunden mit der Weihe und Verteilung des Osteropfers – oft ein Rind oder ein Kalb, gemeinschaftlich finanziert. Dieses wurde nach dem Gottesdienst im Kirchhof zubereitet und geteilt – ein Akt der Gemeinschaft und Nächstenliebe.
Pilgerfahrten zu heiligen Orten, besonders in ländlichen Gegenden, gehörten ebenso zur Tradition. Die Pilger brachten Lebensmittel, Eier, Osterbrot und ein Lamm mit – oft festlich geschmückt – und feierten gemeinsam.
Ein zentraler Bestandteil war das Osterei, das meist am Karsamstag oder Sonntagmorgen gefärbt wurde. Besonders beliebt waren rote Eier, Symbol für das vergossene Blut Christi, aber auch andere Farben wurden verwendet. Die Eier wurden oft mit Naturmaterialien verziert – mit Wachs, Blättern und Zwiebelhäuten – und dienten als kunstvolle Gaben, besonders in Verlobungstraditionen.
Das Eierklopfen, ein beliebtes Spiel unter Kindern, war das Highlight der Osterfreuden: Zwei Personen ließen ihre Eier gegeneinander schlagen – das stärkere gewann. Es gab viele Varianten dieses Spiels, das in einigen Regionen sogar mit Wettbewerben und Liedern verbunden war.
In manchen Gegenden wie Zangezur oder Lori-Gugark entwickelten sich eigene Traditionen, darunter Tänze, Volksmusik, Ringkämpfe (Koch) und Osterlieder. In Vagharshapat gingen junge Männer singend von Haus zu Haus, um gesegnete Eier zu sammeln. In Djavakhk versammelten sich Kinder auf den Dächern der Häuser zum Eierklopfen.
Auch soziale Bräuche hatten ihren festen Platz: Besuche bei Familienmitgliedern, Geschenke zwischen Verlobten, symbolische Segnungen durch den Pfarrer mit Hefe, Salz und Wasser – all das spiegelte den Wunsch wider, durch die Auferstehung erneuert und verbunden zu werden.
Der Reichtum dieser Bräuche zeigt, dass Ostern im armenischen Volk nicht nur ein kirchliches Fest, sondern ein Fest des Lebens, der Freude, der Familie und der Gemeinschaft ist. Selbst heute, fern der alten Dörfer Armeniens, bewahrt die armenische Diaspora diese Traditionen als lebendige Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Glauben und Kultur.
Christus ist auferstanden von den Toten! Gesegnet ist die Auferstehung Christi!