Zwischen Zauber und Zeugnis

Der Heilige Cyprian von Antiochien und die Kraft der Umkehr

Antiochia, um das Jahr 300: Eine multikulturelle Metropole im Osten des Römischen Reichs. Zwischen Philosophie, Kulten, Esoterik und religiöser Toleranz beginnt eine Geschichte, die heute aktueller ist denn je – die Geschichte des heiligen Cyprian, eines Magiers, der zum Bischof wurde, und der heiligen Justina, einer jungen Christin, deren Standhaftigkeit stärker war als jedes Dämonenbündnis.

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Glauben und Aberglauben, zwischen spiritueller Suche und spiritueller Verirrung oft verschwimmen, lohnt sich der Blick auf einen Heiligen, dessen Lebensgeschichte wie eine Parabel unserer Gegenwart wirkt: der heilige Cyprian von Antiochien, dessen am 04. August 2025 die Armenische Kirche gedenkte. Einst ein mächtiger Magier, wurde er zu einem Zeugen Christi. Gemeinsam mit der jungen Christin Justina ging er den Weg des Glaubens bis zum Märtyrertod – ein Weg, der von Kampf, Umkehr und unverbrüchlicher Treue geprägt war.

Antiochien, am Übergang zwischen griechisch-römischer und orientalischer Welt gelegen, war im dritten Jahrhundert ein Ort religiöser Vielfalt – aber auch geistiger Verwirrung. Zwar war dort schon zur Zeit des Apostels Paulus eine christliche Gemeinde gegründet worden, doch die Jahre der Verfolgung hatten das Wachstum der jungen Kirche gehemmt. Christ zu sein bedeutete, sich gegen den Zeitgeist zu stellen – gegen heidnischen Kult, soziale Ausgrenzung und nicht selten gegen tödliche Gewalt.

Inmitten dieser Welt lebte Cyprian – ein Mann mit beeindruckender Bildung, eingeweiht in die Mysterien fremder Götter, in Philosophie und Zauberkunst. Er galt als jemand, der mit Dämonen in Verbindung stand, dessen Macht gefürchtet war. Mit Beschwörungen, Tränken und Sprüchen lenkte er den Willen anderer, manipulierte, täuschte, beeindruckte. Und niemand stellte seine Autorität infrage – bis eine junge Frau ihm begegnete, die sich seinem Einfluss entzog.

Justina, selbst aus heidnischem Haus, hatte durch Zufall eine christliche Unterweisung besucht. Was sie dort hörte, traf sie tief. Die Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus, von einem Gott, der nicht manipuliert, sondern liebt, sprach sie an. Sie ließ sich taufen und begann, in Keuschheit und Glaube zu leben – als Gegenbild zur Welt, in der sie lebte.

Ein junger Heide, entbrannt in Liebe zu ihr, bat Cyprian, mit seiner Magie ihr Herz zu gewinnen. Der Zauberer willigte ein – doch jedes Mal, wenn er seinen Zauber wirkte, wehrte sich Justina mit einem einfachen Zeichen: dem Kreuz. Immer wieder schlug sie das Zeichen Christi über sich – und jedes Mal wich die Macht des Bösen. Cyprian war fassungslos. Er hatte gegen Götter, Dämonen und selbst Priester gesiegt – aber diese junge Frau blieb unerschütterlich.

Wütend stellte er die Geister zur Rede, denen er diente. Ihre Antwort war schlicht: Gegen das Kreuz Christi haben wir keine Macht. Das, was sie entwaffnete, war nicht Gewalt, sondern Glaube – nicht Drohung, sondern das Vertrauen eines Herzens, das sich Christus ganz überlassen hatte.

Für Cyprian wurde dieser Moment zum Wendepunkt. In ihm keimte eine Frage auf, die er nicht mehr loswurde: Was, wenn das Kreuz stärker ist als alle Macht, die ich je besaß? Was, wenn der Glaube dieser jungen Frau mehr Wahrheit enthält als alle Mysterien, denen ich gedient habe?

Cyprian begann, über sein Leben nachzudenken. Er legte die Zauberbücher beiseite, suchte die Kirche auf, nahm Unterricht, wurde getauft. Die Umkehr, die er vollzog, war nicht oberflächlich. Sie war radikal. Er verbrannte seine Bücher öffentlich. Aus dem gefürchteten Magier wurde ein gläubiger Christ. Aus dem Gegner Justinas wurde ihr Bruder im Glauben. Schließlich wurde er sogar zum Bischof geweiht.

Doch das Schicksal dieser beiden sollte nicht in einem friedlichen Altwerden enden. In der diokletianischen Verfolgung wurden sie verhaftet, gefoltert und hingerichtet – Cyprian durch das Schwert, Justina ebenso. Ihr Glaube, der sich gegen die Verlockungen der Welt behauptet hatte, fand sein Siegel im Blutzeugnis. Ihr Festtag ist ein stiller Ruf an uns heute: Wo stehen wir, wenn der Glaube unbequem wird?

Cyprian ist kein Heiliger der makellosen Vita. Er ist vielmehr ein Mensch, der auf dem Höhepunkt seiner selbstgewählten Macht die Wahrheit fand – und den Mut, das Falsche loszulassen. Gerade für heutige Menschen, die zwischen innerer Leere und spiritueller Reizüberflutung pendeln, bietet seine Geschichte eine überraschende Orientierung. Sie zeigt, dass das Evangelium nicht nur sanft tröstet, sondern kraftvoll befreit. Dass es Menschen verändert – sogar dann, wenn sie weit gegangen sind auf falschen Wegen.

Justina wiederum ist das Bild des glaubenden Herzens, das sich nicht verführen lässt – weder von Macht noch von Drohung, sondern fest verwurzelt bleibt in Christus. In einer Zeit, in der Selbstbehauptung, Rebellion und Auflehnung romantisiert werden, erscheint ihre geistliche Standhaftigkeit als wahrer Widerstand.

Cyprian und Justina sind ein ungleiches Paar, das durch das Kreuz verbunden wurde. Ihre Geschichte ist nicht einfach fromme Legende, sondern lebendige Erinnerung daran, dass niemand zu weit gegangen ist, um nicht umkehren zu können – und dass selbst das Einfachste, das Kreuzzeichen, stärker sein kann als die kompliziertesten Systeme der Macht.

In ihren Leben leuchtet eine Wahrheit auf, die in jeder Generation neu entdeckt werden will: Dass Christus kein Prinzip ist, sondern eine Person – und dass Begegnung mit ihm auch heute Menschen verwandeln kann.

Կիպրիանոս. Աղոթագիրք