Stuttgart, 25. April 2024 – In einer bewegenden Gedenkstunde versammelte sich am 24. April die Armenische Gemeinschaft Baden-Württemberg auf dem Friedhof Steinhaldenfeld, um der Opfer des Völkermords an den Armeniern im Jahr 1915 zu gedenken. Mit einem Schweigemarsch zum armenischen Kreuzstein und anschließendem Fürbittgebet erinnerten die Anwesenden an die tragischen Ereignisse, die vor über einem Jahrhundert tiefe Wunden hinterlassen haben.
Der Gedenktag an den Völkermord an den Armeniern erinnert an die systematische Vernichtung der christlichen Bevölkerung durch das Jungtürkische Regime im Osmanischen Reich. Diese Verfolgung begann bereits im 19. Jahrhundert, erreichte aber im Jahr 1915 ihren grausamen Höhepunkt. Dem systematischen Völkermord, der am 24. April 1915 mit der Verhaftung der armenischen Elite in Konstantinopel begann, fielen bis in den Spätherbst 1916 mindestens 1,5 Millionen Armenier, aber auch hunderttausende Aramäer und Pontos-Griechen, dem brutalen Vorgehen der türkischen Mehrheitsbevölkerung zum Opfer.
Nach dem Fürbittgebet richtete der Gemeindepfarrer Dr. Diradur Sardaryan eindringliche Worte an die Versammelten. In seiner Rede hob er die Bedeutung der Erinnerung und des Kampfes für Gerechtigkeit hervor. „Vergessene Verbrechen, unterdruckte Gerechtigkeit und das Fehlen der Konsequenzen für die Täter, ermutigen neue Täter“, mahnte der Gemeindepfarrer und forderte die Anwesenden auf, weiterhin für die Erinnerung, weltweite Anerkennung des Völkermordes aber auch gegen Unterdrückung und Unrecht einzutreten.
Der Appell des Gemeindepfarrers fand starken Anklang bei den Anwesenden, denn angesichts des vielfachen Leids in der Geschichte und in der Gegenwart fühlen sich die Armenier von der Weltgemeinschaft alleingelassen. Die über hunderttausend Vertriebenen aus Arzach (Berg Karabach) sowie die Bevölkerung Armeniens haben auch aktuell Sorge um die territoriale Integrität ihrer Heimat, ja sogar Angst um ihre Existenz. Denn aktuelle Berichte und Luftaufnahmen dokumentieren nicht nur die Aggression der aserbaidschanischen und türkischen Regierung gegenüber Armenien und die Armenier im Land und in der Diaspora, sondern belegen ganz konkret, entgegen anderslautenden Versicherungen aserbaidschanischer Stellen, dass armenische Kulturdenkmäler und Kirchen, Gräber und Dörfer zerstört und vernichtet werden.
Die Gedenkfeier in Stuttgart war Teil einer Reihe von Veranstaltungen, die am 24. April 2024 weltweit zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern stattfanden. In Armenien selbst, in Deutschland und Weltweit fanden Kundgebungen und Gedenkgottesdienste und -veranstaltungen statt, um die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten und ein Zeichen gegen Völkermord, Gewalt und Ungerechtigkeit zu setzen.
Die armenische Gemeinde Baden-Württemberg sieht sich in der Verantwortung, die Erinnerung des Völkermords wachzuhalten und gegen alle Formen von Intoleranz und Diskriminierung zu kämpfen. In diesem Sinne fordert sie auch die Landesregierung von Baden-Württemberg, die Großkirchen und die Mitgliedskirchen der ACK in Baden-Württemberg, die Mitglieder des Runden Tisches der Religionen Baden–Württemberg, alle entsprechenden Organisationen und Menschen guten Willens in der sich weiterhin für die Umsetzung der entsprechenden Bundestagsresolution zum Völkermord, sowie für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit einzusetzen.
Die Gedenkfeier auf dem Friedhof Steinhaldenfeld war ein eindrucksvolles Zeichen der Erinnerung, aber auch ein starkes Plädoyer für Gerechtigkeit und Völkerverständigung.