Die Salbung Jesu im Haus Simons des Aussätzigen

Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen zu Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haupt. Einige aber wurden unwillig und sagten zueinander: Wozu diese Verschwendung? Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können. Und sie fuhren die Frau heftig an. Jesus aber sagte: Hört auf! Warum lasst ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn die Armen habt ihr immer bei euch und ihr könnt ihnen Gutes tun, sooft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer. Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat im Voraus meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. Amen, ich sage euch: Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.

Markus 14, 3-9


Während sich die Mächte der Finsternis zusammenziehen und der Schatten des Kreuzes länger wird, begegnen wir am Mittwoch der Karwoche einem Moment überraschender Zärtlichkeit: der Salbung in Bethanien. Eine namenlose Frau bricht ein Alabastergefäß mit kostbarstem Nardenöl und gießt es über das Haupt Jesu – eine verschwenderische Geste, die den Raum mit Duft erfüllt und die Anwesenden empört.

„Wozu diese Verschwendung?“, fragen sie. „Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können.“ Praktisch, vernünftig, moralisch einwandfrei klingt dieser Einwand. Doch Jesus verteidigt die Frau: „Sie hat ein gutes Werk an mir getan… sie hat meinen Leib im Voraus zum Begräbnis gesalbt.“

Diese Geschichte führt uns zum Herzstück der Karwoche: Was ist angemessen angesichts des bevorstehenden Opfers Christi? Kann es überhaupt Verschwendung geben, wenn es um die Liebe zu Gott geht?

Die alttestamentlichen Lesungen des Tages vertiefen diesen Gedanken. In Genesis 18-19 empfängt Abraham drei Fremde bei den Eichen von Mamre und bewirtet sie königlich – ohne zu wissen, dass er Gott selbst dient. Seine großzügige Gastfreundschaft wird zum Sinnbild für die rechte Haltung vor dem Ewigen.

Das Buch der Sprüche (1,10-19) warnt uns vor jenen, die aus Habgier handeln – ein scharfer Kontrast zur selbstlosen Hingabe der Frau in Bethanien. Der Prophet Zacharia (11,11-14) spricht vom „Hirtenlohn“ – dreißig Silberstücke, genau der Preis, für den Judas seinen Meister verraten wird. Welch bittere Ironie: Während eine Frau ihr Kostbarstes opfert, verkauft einer der Zwölf seinen Herrn für ein paar Münzen.

Die Lesung aus Matthäus 26,3-16 umrahmt die Salbung mit finsteren Szenen: Zu Beginn beraten die Hohenpriester, wie sie Jesus ergreifen und töten können; am Ende geht Judas zu ihnen, um seinen Verrat anzubieten. Zwischen diesen Momenten der Verschwörung steht die Salbung wie ein Lichtstrahl in der Dunkelheit.

Der Mittwoch der Karwoche stellt uns vor eine existentielle Frage: Sind wir bereit, das Kostbarste zu opfern? Oder halten wir fest an unseren „vernünftigen“ Berechnungen, an unserer geistlichen Sparsamkeit, die am Ende oft nur unsere Halbherzigkeit verbirgt?

Echte Liebestaten hinterlassen bleibende Spuren – besonders wenn sie in verschwenderischer Hingabe geschehen. Sie erfüllen die Herzen der Menschen mit einem unvergesslichen Duft und prägen sich tief in unsere Erinnerungen ein. So wollte die Frau in Bethanien nichts für sich selbst. Ihr einziger Wunsch war, Jesus ihre Liebe zu zeigen. Hätte sie an ihre eigenen Bedürfnisse gedacht, wäre der Verkauf des kostbaren Öls und die Nutzung des Geldes der logische Weg gewesen. Stattdessen wählte sie die Sprache der Hingabe.

Diese Geste fordert uns heraus: Wann haben wir zuletzt etwas völlig selbstlos getan? Ohne Hintergedanken, ohne Eigennutz, einzig aus Liebe? Wann haben wir Gott gegenüber eine solche bedingungslose Hingabe gewagt? Vielleicht fällt es uns schwer, eigene Beispiele zu finden.

Was diese Frau ermöglichte, war ihre tiefe Erkenntnis: Jesus ist anders. Er lebte selbst in dieser radikalen Selbstlosigkeit, entgegen allen herrschenden Werten seiner Zeit. Sie spürte: Er versteht meine Geste ohne Erklärung, weil sein Wesen selbst aus dieser Liebe besteht. Gerade darin liegt das Revolutionäre an Jesus Christus bis heute: Er versteht ohne Worte. Die Frau begriff diese Wahrheit tiefer als die Gelehrten ihrer Zeit und antwortete mit dem einzigen, was ihr angemessen schien – der verschwenderischen Salbung als Zeichen ihrer Liebe.