Predigt von Pfr. Dr. Diradur Sardaryan
Gesprochen am I. Sonntag nach Weihnachten, 2016

Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein. Als es aber spät geworden war, gingen seine Jünger zum See hinab, bestiegen ein Boot und fuhren über den See, auf Kafarnaum zu. Es war schon dunkel geworden, und Jesus war noch nicht zu ihnen gekommen. Da wurde der See durch einen heftigen Sturm aufgewühlt. Als sie etwa fünfundzwanzig oder dreißig Stadien gefahren waren, sahen sie, wie Jesus über den See ging und sich dem Boot näherte; und sie fürchteten sich. Er aber rief ihnen zu: Ich bin es; fürchtet euch nicht! Sie wollten ihn zu sich in das Boot nehmen, aber schon war das Boot am Ufer, das sie erreichen wollten.

Johannes 6, 15 – 21.

Liebe Schwestern und Brüder,

als gläubige Menschen wissen wir, dass der liebe Gott, unser Herr, jeden Tag zwischen uns ist. Er Predigt, Heilt uns und spenden Mysterien, er füllt unsere Kirche mit Leben. Wir glauben fest daran, dass die Kirche Christi die Fortsetzung des Evangeliums ist, die Fortsetzung der Begegnung zwischen Gott und Mensch.

Immer, wenn wir zu Surb Patarag (Hl. Liturgie) kommen um am Leib und Blut unseres Herrn teilzunehmen, findet das Heilige Abendmahl erneut statt. Wenn wir die Lesung der Bibel hören, werden wir Teil von all den Menschen, welche die Möglichkeit hatten, Jesus Christus selber zu sehen und von seinem Mund das Evangelium zu hören, wir werden Teil von den Menschen, die vor uns das Evangelium hörten. Wir sind in unseren Gebeten die gleichen Menschen, die Blind und Taub waren, die nach Wahrheit und Gerechtigkeit suchten, die zum Herrn kamen um von Ihm zu schöpfen. Zu wem denn sonst soll ein gläubiger Mensch hingehen. Er hat doch die Wörter des ewigen Lebens (Jh 6, 68).

All diejenigen, zu zum Herrn kommen werden Teile eines großen Bauwerkes, welches wir Kirche nennen. Jeder von uns wird zu einem Baustein, doch das Fundament, auf dem wir Bauen, ist der Herr selbst. Wir wissen von den Heiligen Aposteln, dass wir unsere Kirche auf keinem anderen Fundament bauen können: weder auf den menschlichen Hoffnungen, noch auf menschlicher Zuversicht. Wir bauen die Kirche auf einem Wunder, deren Geburt wir vor einer Woche feierten, auf dem Menschgewordenen Sohn Gottes, Jesus Christus. Denn es gibt keine andere Kraft, die gekommen ist, um jeden Einzelnen von uns zu erlösen, und die Möglichkeit zu geben, wieder in das Haus unseres Vaters zurück zu kehren.

Im heutigen Evangelium werden wir in die Nacht versetzt, als die engsten Junger Christi ein Boot erstiegen und über den See, auf Kafarnaum zufuhren. Sie sind voller Angst wegen des Unwetters, und siehe, der Herr selbst kommt ihnen entgegen. Die Apostel schreien vom Angst als sie die entgegenkommende Silhouette sahen und konnten sich nicht beruhigen. Was hat es dann aber mit uns zu tun? Findet dieses Wunder auch heute für uns statt?

Ja meine Lieben. Stellen Sie sich den Boot vor, der vor dem Herrn auf Kafarnaum zufährt. Der Herr ist nicht da, er ist auf einem naheliegenden Berg. Er ist voll im Gebet. Es war ein schwerer Tag für ihn. Er erfährt über die Enthauptung Johannes, Er hat den ganzen Tag das Evangelium an tausenden von Menschen gepredigt und er hat sie ernährt. Und nun wollten diese Menschen ihn zum König machen. Dabei wusste er, dass es noch eine Versuchung ist, die er besiegen soll. Als er vor seinem Dienst von dem Teufel versucht wurde, schlug der Teufel ihm vor aus Steinen Brot zu machen und er würde zum König. Damals antwortet Jesus: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht“ (Mt. 4, 4). Er will kein König dieser Welt sein. Er will, dass die Menschen auf dieser Welt, den Himmelreich kennenlernen und dorthin streben. Deshalb flieht er von der Menge.

Hat er Sie verlassen? Hat er seine Junger alleine gelassen? Gerade an diesem Moment, als das Meer so stürmt und das Boot hin und her wirft? Rund um ist die Dunkelheit und tiefes Wasser, rund um herrscht Todesangst. Die heiligen Apostel fühlen sich vernachlässigt und verlassen… Wenn wir darüber nachdenken… finden wir uns nicht wieder in dieser Situation? Gerade wo wir vor Schwierigkeiten stehen, vor Versuchungen… Haben wir nicht das Gefühl, dass Gott uns verlassen hat, dass wir alleine sind und wir keinen Halt haben, dass unser Leben so dunkel und Aussichtslos ist, dass alles was bis jetzt war keinen Sinn hatte, weil wir jetzt sowieso sterben müssen? Worauf wir nicht achten, ist die Tatsache, dass der Herr diese Menschen nicht verlassen hat. Er stand ja auf dem Berg und betete… Er erhob sich zu Gott und betete für diejenigen, die da unten waren. Er war da oben, und die waren da unten. Er sah sie, und die haben ihn vergessen, weil sie mit dem Sturm kämpften…

Die Junger Christi waren von Angst besessen, sie wussten nicht was zu tun ist, weil Sie vergessen haben, dass es den Herrn gibt, der auf sie wacht und sie beschützt. Genauso, fallen auch wir bei jeglicher Schwierigkeit in Angst und Stress, und vergessen, dass wir unseren Herrn Jesus Christus als Beschützer und vorsorgender Wohltäter haben. Er war da oben im Gebet für die da unten. Aber nicht nur. Er wacht über sie, steigt herunter und geht denen entgegen, die seine Hilfe brauchen. Er hatte keinen Boot, deshalb geht er auf dem Wasser. So kommt Er auch zu uns, wenn wir in Schwierigkeiten stecken und nicht mehr weiterwissen. Er kommt zu uns, und wir merken es oft nicht. Wir haben auch keine Zeit an Ihn zu denken und ihn zu Hilfe zu rufen. Wir denken, dass wir es alleine schaffen und merken dabei wie tiefer und tiefer wir versinken… Gerade da kommt er zu uns, unsere Herzen sind aber voller Angst…

Was würden wir den an deren Stelle tun? Wenn die ganze Umgebung so beängstigend aussieht, Sturm, kaum Licht, kaum Hoffnung und plötzlich sehen wir jemanden, der über das Wasser geht… Doch in voller Angst hören die Junger Christi die Stimme des Herrn: „Ich bin es; fürchtet euch nicht!“. Erstaunt lassen diese, vor kurzem noch hoffnungslose, Menschen alles menschliche Tun und schauen auf ihn voller Hoffnung. Sie möchten zu Ihm. Und Petrus ruft: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme“ (Mt. 14, 28).

Kennen wir diese Situation nicht aus unserem Leben? Immer wenn es unerträglich wird, hören wir eine Stimme, die Stimme des Erlösers, der uns sagt: „habt keine Angst, das bin ich, der Schöpfer der Welt, der Lebensspender, ich bin gekommen um euch zu retten. Ihr sollt nur Glauben und sich an mich halten“.

Petrus will zu Ihm, er wollte wie Jesus über das Wasser gehen. Der Herr gibt ihm seine Zustimmung und sagt: „komm“. Eine Zustimmung, die wir täglich im Evangelium hören. Was wir dann aber damit machen, ist es nicht dem ähnlich, was die Junger Christi gemacht haben? Nur Petrus wagte zum Herrn zu gehen. Alle anderen waren im Boot. Petrus aber will dem Herrn ähnlich werden, in allem, was er in Ihm sieht. Das ist gut. Wenn wir nicht von Jesus Christus lernen, von wem denn sonst? Er ist doch gerade deshalb gekommen, um zu zeigen: „auch Ihr Menschen, könnt mir ähnlich werden, ich mache es vor, ihr sollt es auch tun. Ihr sollt Glauben und Gutes tun, alles andere tue ich für euch. Ich bin da, habt keine Angst“. Petrus geht aber zum Herrn, obwohl er weiß, dass unter seinen Füssen keinen Halt gibt. Rund um ist Wasser und Dunkelheit. Rund um plaudert die Gefahr des Todes. Doch er geht, weil er weiß, sein Herr ruft ihn.

Solange Petrus stark ist in seinem Glauben, geht er über das Wasser, gerade auf Jesus zu. Solange er seinen Blick auf den Sohn Gottes richtet, scheitert er nicht. Es war doch ein Wunder. Seien wir ehrlich, solche Wunder können und passieren auch mit uns, doch wir sehen sie nicht, weil wir allzu oft Blind sind, weil wir Zweifeln. Ist es kein Wunder, wenn wir unsere Augen jeden Morgen aufmachen und das Licht der Welt erblicken? Ist es kein Wunder, wenn als Frucht der Liebe von Mann und Frau ein neues menschliches Leben entsteht? Ist es kein Wunder, wenn wir Beten und dabei die Möglichkeit haben unseren Schöpfer nicht Herr, sondern Vater zu nennen? Würden wir tatsächlich unser Leben uns vor Augen führen, würden wir viele solche Wunder entdecken. Dafür brauchen wir unseren Blick auf Ihn zu richten, an Ihn zu glauben. Und wenn wir uns dem Herrn hingeben, sollten wir es ganz und voll tun. Denn sonst erwartet uns das Gleiche, was Petrus passiert ist. Sobald er beginnt zu zweifeln und seinen Blick nicht auf Christus richtet, sondern auf das Wasser, sobald er das Vertrauen verliert an Dem, Der ihm sagt: „vertraue mir, hab keine Angst“, beginnt er zu sinken.

Leider versinken viele, ohne, zumindest im letzten Moment, zu versuchen, Petrus nachzuahmen. Dem sinkenden Petrus wird bewusst, dass er ein Fehler begangen hat. Er verliert seine Zuversicht nicht und ruft gerade in diesem Moment zum Herrn und bittet um Hilfe: „Herr, rette mich!“ (Mt. 14, 30). Und der Herr rettet ihn. Er rettet ihn und sagt ihm auch den Grund, wieso er angefangen hat zu sinken. In der Frage Jesu an Petrus, finden wir die Antwort: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ (Mt. 14, 31). Zweifel war es also, was den Petrus gestört hat, dem Herrn ähnlich zu werden.

Wir sollten also von dieser Geschichte lernen uns voll und ganz Gott hinzugeben: ohne Kleingläubigkeit, ohne Zweifel, sondern stark im Glauben und voller Zuversicht. Und auch wenn wir versinken, ob physisch oder geistlich, sollten wir in uns Kraft finden uns an Gott zu wenden, der uns niemals verlässt, der immer über uns wacht und die zu Ihm Rufenden errettet und segnet wie gestern und heute, so auch in der Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen.