Liebe Schwestern und Brüder, gestern endete die vierzigtägige Osterfeier. Vierzig Tage lang erinnerten wir uns an den auferstandenen Herrn Jesus Christus, der nach seiner Auferstehung mehrmals seinen Jüngern erschien, um sie in ihrem Glauben zu stärken, um die Tatsache seiner Auferstehung zu bestätigen, um sie für die Verbreitung der Guten Botschaft vorzubereiten. Er zeigte die Wunden an seinen Händen und Füßen, er teilte mit ihnen die Mahlzeit, sprach mit ihnen über das Reich Gottes und bereitete sie auf das Empfangen des Heiligen Geistes, den Tröster, der sie nun weiterführen wird.
Zumindest die letzten Lebensjahre Christi vergingen vor den Augen der Jünger. Sie waren Zeugen seines Leidens und seines Todes am Kreuz, sie haben das leere Grab nach seiner Auferstehung gesehen und erinnerten sich an seine Prophezeiung. Aber selbst nach seiner Auferstehung konnten sie das Geschehene nicht begreifen. Die Heiligen Apostel lebten immer noch in der Hoffnung, dass Jesus der irdische Herrscher, der König von Israel, werden würde. Erst als der Herr am vierzigsten Tag nach seiner Auferstehung, nachdem er mit ihnen nach Bethanien gekommen war und sie gesegnet hatte, in den Himmel aufstieg, wurde ihnen endlich klar, dass es überhaupt nicht um die Wiederherstellung des irdischen Königreichs ging, sondern um den Weg ins Himmelreich.
Die liturgischen Texte des Festes der Himmelfahrt des Herrn beschreiben sein Heimkehr. Der Menschgewordene Sohn Gottes, der vom Himmel herabgestiegen ist um das menschliche Geschlecht vom Tod zu befreien steigt wieder in den Himmel, nach dem er durch seine Auferstehung den Tod besiegt und die Toren des Himmelreiches für den Gläubigen geöffnet hat. Nun sitzt er zum Rechten des Vaters auf dem cherubinischen Thron und belehrt die Heiligen Apostel auf den Tröster zu warten, den Heiligen Geist, den er zur Kirche senden wird.
Aber wofür war der Tröster? Warum sollten sich die Jünger nicht zerstreuen, sondern in Jerusalem auf das Herabkommen des Heiligen Geistes auf sie warten mussten. Dies war notwendig, weil sie ohne die Hilfe des Heiligen Geistes nicht verstehen konnten, was sie gesehen oder gehört haben. Ja, sie waren Zeugen des Todes und der Auferstehung des Herrn, aber sie konnten diese Erfahrung noch nicht verstehen und das Evangelium an andere Menschen verkünden. Erst nach dem Empfang des Heiligen Geistes wandelten sie sich von „Fischern“ zu „Aposteln“. Sie erkannten, dass ihre Aufgabe von nun an darin bestand, allen Menschen das Evangelium Christi zu predigen, sie „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ zu taufen und den Weg zum Himmelreich zu zeigen, den Weg zur Vergöttlichung, den Weg zum himmlischen Vater. Diesen Weg sind sie selbst gegangen, wurden zum Beispiel für alle nachkommenden Generationen.
Heute, am Fest der Himmelfahrt des Herrn, hören wir erneut die Berichte der Apostel über den Himmelfahrt des Herrn, wir hören seine Gebote und haben das Gefühl, dass all dies die direkteste Beziehung zu uns hat, weil auch wir an der Heilsgeschichte der Kirche beteiligt sind. Auch für uns öffnet der Herr mit seiner Himmelfahrt die Tore des Himmels und wendet sich an uns alle, zusammen mit den Heiligen Aposteln in die Welt hinein zu gehen und seinen Tod und seine Auferstehung zu verkünden.
Die Welt von heute braucht das Wort Gottes mehr denn je. Die zerstörerische Kraft des menschlichen Hasses, die Kriege, die unvernünftige Misshandlung der Natur, der unendliche Gier nach immer mehr und die Gottlosigkeit des Menschen von heute, zerstören nicht nur die Erde, sondern auch den Menschen. Der Ausweg ist das Wort Gottes und ein Leben nach diesem Wort. Denn wenn wir ein Mal begriffen haben, dass alles auf der Erde, alles was wir sehen oder nicht sehen, unser Eigentum ist; wenn wir uns nicht als Räuber sondern gute Hirten verhalten; wenn wir statt des Hasses die Liebe, statt des Nehmens das Geben, statt des Bösen das Gute wählen; werden wir die Welt mit anderen Augen betrachten und den Weg in den Himmel, statt den Weg in die Hölle, wählen, auch wenn der erste ein schwieriger, schmaler und unbequemer Weg ist.
Heute stehen wir mit dem Schaar der Heiligen vor dem Herrn und Erlöser Jesus Christus, der in den Himmel hinabfährt. Wir stehen vor ihm, um geistlich gestärkt zu werden, um die Nähe und Gegenwart Gottes zu spüren, um zu fühlen, dass der Herr, der in den Himmel aufgestiegen ist, für immer und ewig bei uns ist. Wir stehen vor dem Herrn aber auch, damit wir Kraft für unsere Mission und für unseren Dienst auf Erden erhalten. Wir stehen vor dem Herrn, damit der Heilige Geist, den der Vater gesandt hat, uns stärkt, in unsere Herzen hineindringt und uns erneuert, uns wiederbelebt uns ermutigt den Weg in den Himmel zu wählen. Wir staunen, wir lobpreisen und wir bitten: Herr, mache auch uns würdig Deine Kinder genannt zu werden und mit Dir zusammen in den Himmel herabzusteigen. Amen.
Pfr. Dr. Diradur Sardaryan
13.05.2021, Göppingen