Was bedeutet wahre Liebe im Sinne des Evangeliums?

Gott ist Liebe,

und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.

Was bedeutet wahre Liebe
im Evangelium?

Gedanken zum Nachdenken

GEMEINSCHAFT MIT GOTT IN DER LIEBE

Liebe ist ein zentrales Thema im Christentum. Oft wird in diesem Zusammenhang auch aus dem Evangelium zitiert: „Gott ist Liebe“ (1. Joh. 4, 16), oder wird gesagt: „das Christentum lehrt Liebe“ und dass: dass „größte Gebot, den Nächsten zu lieben, wie sich selbst“ ist. Aber worum geht es bei dieser Liebe? Was bedeutet Liebe aus der Sicht des Evangeliums? Lass uns genauer hinschauen.

Die Hauptquellen, auf die sich Christen beziehen, wenn sie über die Liebe sprechen, sind das Evangelium sowie die Briefe der Heiligen Apostel. Im Evangelium sagt Jesus Christus, dass Gott den Menschen zwei grundlegende Gebote gegeben hat, und beide handeln von Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das Zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 22, 37-40). „Das Gesetz und die Propheten“ umfassen die gesamte Lehre des Alten Testaments, die zahlreichen Vorschriften und Gebote, alles, was die alten Propheten verkündeten. Alle Gebote und Gesetze, die von Gott gegeben wurden, haben die Liebe als Grundlage – das meint Jesus. Denn Gebote wie „Du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis ablegen, nicht begehren“ und alle anderen, sind in diesem einen Wort zusammengefasst: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, wie der Apostel Paulus später erklären wird (Römer 13, 9).

Aber was bedeutet es, den Nächsten zu lieben? Denn nicht zu töten, nicht zu stehlen, nicht zu betrügen, nicht zu beneiden, bedeutet noch lange nicht zu lieben!

Und wie liebt man Gott, den man nicht sieht, und für viele Menschen ist sogar die Existenz Gottes nicht offensichtlich…

Liebe als Anerkennung der menschlichen Würde

Die göttliche Genialität des Gebotes „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ besteht darin, dass es nicht notwendig ist, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was Liebe bedeutet. Jeder Mensch weiß genau, was er für sich selbst wünschen würde: Wohlstand, Ruhe, Gesundheit, ein Dach über dem Kopf, gute und friedliche Beziehungen zu den Nachbarn – stimmt’s? Jeder kennt seine eigenen Sünden, aber er kennt in der Regel auch die milderten Umstände, die sein Verhalten irgendwie erklären und rechtfertigen (zumindest in seinen eigenen Augen). Der Herr fordert die gleiche einfache Maßnahme auch für andere Menschen. Möchtest du, dass dir in deiner Not geholfen wird? Dann hilf selbst demjenigen, der hungrig oder krank ist. Möchtest du Frieden, Ruhe und Respekt? Respektiere die Freiheit und die menschliche Würde eines anderen Menschen. Möchtest du im Einklang mit deinem Gewissen leben? Suche nach Entschuldigungen auch für einen anderen Menschen, der sich nicht auf die beste Weise verhalten hat.

Einige moderne Psychologen stellen die Frage so: Bevor du lernen kannst, andere zu lieben, lerne dich selbst richtig zu lieben. Lerne dein wahres „Ich“ zu sehen und zu schätzen, befreie dich von Gewohnheiten und vielleicht sogar von liebgewonnenen, aber objektiv schädlichen Abhängigkeiten und Einstellungen. Erst dann wirst du lernen, andere zu lieben.

Das moderne Leben (insbesondere das städtische) ist wirklich reich an verschiedenen Formen von seelischen Störungen und Pathologien: Es gibt auch Menschen, die sich selbst gegenüber gleichgültig oder sogar feindlich eingestellt sind. Sie benötigen natürlich die Hilfe eines kompetenten Psychologen oder Psychiaters, und vielleicht auch eines Priesters.

Aber es ist schwer sich vorzustellen, dass Christus solch komplexe Fälle im Sinn hatte. Er sprach in einer einfachen Sprache, die für alle Zuhörer verständlich war – nicht nur für die theologisch versierten Pharisäer und Diender der Synagogen, sondern auch für Fischer, Bauern, Handwerker, Soldaten, Händler. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – was könnte einfacher sein! Die Liebe eines Menschen zu sich selbst erwähnte Christus als etwas Selbstverständliches, das keine zusätzlichen Erklärungen erfordert, als eine Realität, die jedem Menschen in seinem Empfinden gegeben ist. Dasselbe Verhältnis – mindestens dasselbe – wünscht sich Gott von unserer Seite zu anderen Menschen.

Dennoch ist die Diskussion über die richtige Liebe zu sich selbst und zu anderen nicht ganz unbegründet. Denn jeder Mensch, wie die göttliche Offenbarung zeigt, ist nach dem Ebenbild Gottes geschaffen (Gen. 1, 27). Was ist dieses Bild Gottes? Augustinus verstand darunter die Existenz einer unsterblichen Seele im Menschen, Gregor Palamas – die Fähigkeit des Menschen zu schöpferischem Handeln, die Theologen des 20. Jahrhunderts wiesen darauf hin, dass sowohl Gott als auch der Mensch eine persönliche Existenz haben…

Auf die eine oder andere Weise, aber wenn im Menschen das Bild Gottes verborgen ist, dann ist es gerade das Schönste an ihm, das zuerst geliebt werden sollte. Und wenn jeder Mensch als Bild Gottes geliebt wird, dann gibt es in jedem auch etwas, mit dem man absolut nicht einverstanden sein kann, das dem Bild Gottes Schaden zufügt, es verschmutzt – die Sünde. Die Liebe zum Menschen setzt die Ablehnung der Sünde in einem gewissen Ausmaß voraus, die für das Bild Gottes kämpft. Eine andere Frage ist, dass man diesen Kampf zuerst mit sich selbst beginnen muss. Darüber spricht Christus eindeutig: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge fühlst du nicht? Oder wie wirst du zu deinem Bruder sagen: „Lass mich den Splitter aus deinem Auge nehmen“, und siehe, in deinem Auge ist ein Balken? Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge heraus, und dann wirst du sehen, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders entfernen kannst (Matthäus 7, 3-5).

Liebe als aktive Fürsorge

Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten sind die beiden grundlegenden Gebote des Christentums. Doch wie können wir sicherstellen, dass unsere Liebe zu Gott über bloße Gefühle hinausgeht?

Die Apostel, die Jesus am nächsten waren, versagten, als es darauf ankam. Während der irdischen Lebenszeit Christi waren sie sehr eng mit ihm verbunden, und der leidenschaftliche Petrus sagte: „Und wenn ich mit dir sterben müsste – ich werde dich nie verleugnen. Das Gleiche sagten auch alle Jünger.“ (Matthäus 26, 35). Doch als die Wachen kamen und Jesus in den Garten Gethsemane brachten, um ihn zu verhören, flohen die Apostel aus Angst, und Petrus verleugnete den Herrn dreimal. Petrus, der am leidenschaftlichsten war, verleugnete Jesus sogar dreimal. Um den in die Sünde gefallenen Petrus wieder aufzurichten fragte Jesus Christus den Petrus drei mal: „Liebst du mich?“. Diese Frage zeigt, dass die Sünde von Petrus im Kern eine Sünde gegen die Liebe war.

Und tatsächlich, die Liebe zu Gott zeigt sich nicht nur in Worten, sondern vor allem in Taten. Christus sagte, dass diejenigen, die seine Gebote halten, ihn lieben. Das bedeutet, dass unsere Liebe zu Gott durch unsere Taten bewiesen wird. Die Kirchenväter lehren uns Gebote Jesu im Herzen zu haben. Dies bedeutet, sie aus der Offenbarung anzunehmen und sie wie einen kostbaren Schatz im Verstand zu bewahren. Aber auch das reiche nicht aus, damit unsere Liebe Gott würdig wäre. Es sei notwendig, dass nicht nur der Verstand mit dem Herrn beschäftigt ist, sondern dass die ganze Seele sich mit all ihrer Kraft dem Gehorsam gegenüber seinen Geboten widmet. Dann würden Taten zeigen, dass die Seele den Herrn liebe.

Eine Geschichte aus den Evangelien verdeutlicht dies: Ein reicher junger Mann behauptete, alle Gebote zu halten, aber als Jesus ihm sagte, er solle sein Vermögen verkaufen und den Erlös den Armen geben, ging er traurig weg. Sein Besitz stand zwischen ihm und seiner Liebe zu Gott. Er konnte die Liebe nicht durch seine Taten beweisen.

Mancher wird sagen: „Ich tue niemandem etwas Böses.“ Doch genau darin liegt das Problem: Das Evangelium fordert eine aktive Liebe zu den Menschen, ein Beispiel dafür gab der Erlöser selbst: Tag und Nacht verbrachte er damit, Kranke und Besessene zu heilen, Hungrige zu speisen, mit denen zu sprechen, die seine Hilfe benötigten. In der Nacht vor seiner Kreuzigung, bevor er das Letzte Abendmahl hielt, wusch er selbst den Jüngern die Füße und befahl ihnen, einander auf die gleiche Weise zu dienen (siehe Johannes 13, 3-15).

Das Gebot der Liebe zu Gott kann nicht erfüllt werden, ohne Liebe zu den Nächsten zu zeigen. Das wird aus dem Gleichnis vom Jüngsten Gericht deutlich, wo Christus Menschen, die den leidenden Nächsten Barmherzigkeit erwiesen haben, das ewige Leben schenkt, während andere, die an ihrem Bedürfnis vorbeigegangen sind, nun in ewiger Qual sind. Es stellt sich heraus, dass Menschen, die den Bedürftigen geholfen haben — oft ohne es zu wissen! — Christus selbst Gnade erwiesen haben. Und diejenigen, die nicht halfen, gingen an Christus vorbei (siehe Matthäus 25, 31-46).

„Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan“ — das ist das Schlüsselprinzip der aktiven Liebe (siehe Matthäus 25, 40). Wer sich um die Nächsten kümmert, erfüllt gleichzeitig, vielleicht ohne es zu wissen, das Gebot der Liebe zu Gott. Denn, wie der Apostel Johannes bemerkt, wie kann man Gott lieben, den man nicht sieht, wenn man seinen Bruder nicht liebt, den man sieht? (1. Johannes 4, 20).

Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Liebe zu den Nächsten, ohne durch die Liebe zu Gott erhöht zu werden, in eine neutral gleichgültige „gute Beziehung“ abrutscht, in der sich der Mensch bereits damit zufrieden gibt, „niemandem etwas Böses zu tun“. Eine Liebe kann nicht ohne die andere auskommen, und keine von beiden kann untätig sein.

Der Barmherzige Samarither

Liebe als Anstrengung des Willens

In der christlichen Tradition wird für die Beschreibung der Liebe der apophatischer Weg verwendet, d. h. die unsagbare Natur der Liebe wird erklärt, indem man definiert, was die Liebe nicht ist.

Sowohl der Apostel Johannes als auch Paulus betonen z. B. die Abwesenheit von Angst und die Überwindung von Furcht durch vollkommene Liebe. Paulus widmet der Liebe in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth sogar ein ganzes Hohelied (1. Kor. 13) und beschreibt sie als die höchste Tugend, über Hoffnung und sogar über Glauben.

Doch was ist diese Liebe genau?

Paulus zählt verschiedene Aspekte der Liebe auf, konzentriert sich jedoch auch darauf, was Liebe nicht ist: Sie ist nicht neidisch, prahlerisch, stolz, unhöflich, selbstsüchtig, ärgerlich oder nachtragend. Vielmehr bedeutet wahre Liebe Geduld mit den Schwächen anderer, Vergebung von Unrecht und ein mitfühlender Blick, der das Beste im Menschen sieht (1. Kor. 13).

Dies steht im Einklang mit den Worten Jesu in der Bergpredigt: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! (Lukas 6, 27-28).

In einer seiner Gleichnisse erzählt Jesus von einem Juden, der von Räubern überfallen und schwer verletzt am Straßenrand liegen gelassen wird. Sowohl ein Priester als auch ein Levit, obwohl sie sich auf dem Weg zum Tempel in Jerusalem befinden, gehen achtlos an ihm vorbei, aus Angst, sich zu verunreinigen. Ein Samariter, der normalerweise als Feind angesehen würde, zeigt Mitgefühl, kümmert sich um den Verletzten und bringt ihn in eine Herberge, um für ihn zu sorgen.

Die Botschaft ist klar und deutlich:

Oft wird die Liebe dem sinnlichen, romantischen Bereich zugeschrieben. Aber die Liebe, von der Christus und in seiner Nachfolge der Apostel Paulus sprechen, kann man nicht als bloßes Gefühl bezeichnen. Was für ein romantisches Gefühl kann man tatsächlich einem Feind gegenüber entfachen?! Sich aber zu zwingen, dem Feind als Person anzusehen, ihn menschlich zu behandeln, gemäß den Worten desselben Apostels Paulus: „Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken“ (Röm 12, 20)… ist schwierig, aber möglich. In diesem Sinne sprechen viele Heilige Väter der Kirche davon, dass Liebe ein Konzept sei, das nicht aus dem Bereich des Emotionalen, sondern aus dem Bereich des Willens stamme. Sie sehen die Liebe als eine freiwillige Anstrengung, die eine Person unternehmen kann, wenn sie will.

Wahre Liebe erfordert aktive Barmherzigkeit und Sorge für jeden, unabhängig von unseren Vorurteilen oder Ängsten. Es ist die Kraft des Willens, die uns befähigt, den Anderen bedingungslose Liebe entgegenzubringen und so Gottes Liebe in die Welt zu tragen.

Liebe – die Natur Gottes

Indem Jesus seinen Jüngern befiehlt, nicht nur die zu lieben, die sie lieben, sondern sogar ihre Feinde, fügt er etwas sehr Wichtiges hinzu: „…damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Matthäus 5, 45). So behandelt der Schöpfer selbst mit Liebe und Barmherzigkeit alle Menschen. Wir können IHM ähnlich werden, indem wir lernen, auch denjenigen gegenüber die Liebe zu zeigen, die uns hassen.

In der biblischen Schöpfungsgeschichte sagt Gott: „Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich!“ (Gen. 1, 26), und weiter heißt es: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn“ (Gen. 1, 27). Das göttliche Bild trägt der Mensch von Anfang an in sich, aber die Ähnlichkeit soll er noch erreichen, betonte der heilige Basilios der Große.

In der Nacht vor den schrecklichen Leiden am Kreuz sprach der Erlöser zum letzten Mal mit seinen Jüngern, und als es keine Zeit mehr für etwas anderes als das Wichtigste gab, sagte er zu ihnen: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ (Johannes 13, 34).

Viele Heilige Väter der Kirche, die diese Worte kommentierten, weisen darauf hin, dass die Neuheit dieses Gebotes nicht im Aufruf zur Liebe an sich liegt. Immerhin predigte Christus drei Jahre lang und lehrte die Menschen um ihn herum genau das – einander zu lieben. Aber „neu“ nannte er dieses Gebot, weil er ein Beispiel für Liebe gibt – sich selbst. Der Herr wird selbst bald am Kreuz gekreuzigt, dann wird ER auferstehen und in den Himmel aufsteigen, und Jahre später wird sein geliebter Apostel Johannes, der eine besondere theologische Sensibilität besitzt, schreiben: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Johannes 4, 16). „Die größte und genaueste Botschaft des Neuen Testaments“, so kommentierte der serbische Heilige unserer Zeit, der ehrwürdige Justin Popovic von Ćelije (1894–1979), diese Worte. Heute sind diese Worte – „Gott ist Liebe“ – jedem bekannt, aber sie zu verstehen, ist nicht so einfach.

„Gott ist Liebe“ bedeutet nicht, dass es Gott eigen ist zu lieben, erklären die Heiligen Väter. Es bedeutet vielmehr, dass die Natur Gottes am besten durch den Begriff der Liebe beschrieben wird. Natürlich können wir die Natur Gottes nicht wissenschaftlich analysieren, aber wir können anhand dessen urteilen, wie Gott sich selbst offenbart. Und er offenbart sich vor allem als Liebe.

Gerade aus der Liebe heraus hat Gott das Universum und den Menschen erschaffen – damit er jemanden hat, mit dem er dieses Glück, diesen Frieden und diese Freude teilen kann, in denen er seit Ewigkeit verweilt, schrieb Johannes von Damaskus († ca. 780).

Genau aus der Liebe wurde der Sohn Gottes – die Zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit, zu Menschen und kam in die Welt, die er selbst erschaffen hat. Vor zweitausend Jahren wurde er als Mensch geboren und nahm den menschlichen Tod an, um den von ihm geschaffenen Menschen von den tödlichen Folgen der Sünde zu befreien und den Tod zu besiegen. Nicht weniger zeigt sich hier die Liebe Gottes des Vaters – die Erste Person der Heiligen Dreifaltigkeit: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Johannes 3,16).

Und gerade aus der Liebe heraus erhält Gott diesen Welt und all ihre Bewohner am Leben, erträgt menschliche Sünden und Verbrechen, lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Matthäus 5, 45), weil er nicht will, dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße kommen (2. Petrus 3, 9).

Man könnte leicht einwenden: Aber solche Liebe und Geduld Gottes führen dazu, dass viele Menschen auf der Erde wegen der Verbrechen einiger Bösewichte leiden und sterben! Das ist ein großes Thema für sich, aber es geht wirklich um Liebe. „Ich bin gekommen, um Sünder zur Umkehr zu Gott zu rufen“ – sagt Jesus Christus (Lukas 5, 32). Gott liebt alle Menschen, sogar die Bösewichte, so sehr, dass er ihnen Jahre und sogar Jahrzehnte für Reue und Besserung gewährt.

Der Barmherzige Samarither

Jesus Christus – Verkörperung der Liebe

Im alttestamentlichen Offenbarung wird nicht selten beschrieben, wie Gott der „zornig“ wurde oder sogar „in Wut geriet“, einen „bestraft“, „Rache übt“ und zum Untergang bestimmt. All das, wie die Heiligen Väter wiederholt erklärt haben, sind unvermeidliche anthropomorphe Vorstellungen des antiken Menschen, Versuche, menschliche Handlungen Gott zuzuschreiben und ihn mit menschlichen Emotionen und Motivationen auszustatten. In Wirklichkeit ist jedoch alles viel einfacher – und gleichzeitig viel komplizierter.

„Gott freut sich nicht und wird nicht zornig, denn Freude und Zorn sind [menschliche] Leidenschaften“, erklärte einer der Gründer des christlichen Mönchtums, Antonius der Große. „…Gott ist gut und tut nur Gutes. Schaden tut er niemandem und bleibt immer gleich. Wenn wir jedoch gut sind, dann treten wir in Gemeinschaft mit Gott, in Übereinstimmung mit ihm, und wenn wir böse werden, trennen wir uns von Gott, indem wir uns von ihm unterscheiden. Indem wir tugendhaft leben, werden wir von Gott angenommen, wenn wir böses tun, werden wir abgelehnt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ER Zorn gegen uns empfindet, sondern dass unsere Sünden es IHM nicht erlauben, in uns aufzustrahlen. Zu sagen: „Gott wendet sich von den Bösen ab“, bedeutet dasselbe, wie zu sagen: „Die Sonne versteckt sich vor den Blinden“.“ Der Apostel Paulus sagt ganz bestimmt: Das Alte Testament kann ausschließlich durch das Evangelium verstanden und interpretiert werden (vgl. 2 Korinther 3, 14-16). Nur wenn wir auf Christus schauen, können wir verstehen, wie Gott ist: Wie der Apostel Johannes zu Beginn seines Evangeliums sagt, „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Johannes 1, 18).

Welchen Gott offenbart also Christus?

Erstens ist er selbst die Barmherzigkeit: Während des gesamten Evangeliums heilt Christus Kranke, treibt böse Geister aus den Menschen aus, ernährt Hungrige und erweckt Tote zum Leben. Und er tut dies nicht gelegentlich, sondern kontinuierlich und bis zur Erschöpfung: „Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen“ (Markus 6,31). Selbst inmitten stürmischer Wellen konnte ER auf dem Boot schlafen, weil er vor Erschöpfung müde war (siehe z.B. Markus 4, 36–41).

Zweitens predigt und unterweist ER ständig die Menschen, oft in Form von Gleichnissen, damit die Menschen IHN so gut und genau wie möglich verstehen. Besonders in seiner Bergpredigt (Matthäus 5 – 7) wird die Kraft der Liebe hervorgehoben. Das Gebot der Liebe zum Nächsten erklingt hier in einer besonderen Weise.

Drittens ist Christus selbst die Großzügigkeit: Zumindest seit Beginn seiner Lehre gab er sich den Menschen fortwährend, kümmerte sich sehr wenig darum, wie und womit die Menschen ihm im Gegenzug antworteten. Ein junger Mann, der ihm folgen wollte, warnte er im Voraus: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Matthäus 8,20). Seine vielen Wohltaten den Menschen gegenüber führten oft dazu, dass die „Eiferer der Frömmigkeit“ IHN aus der Synagoge vertrieben und IHN sogar zu töten versuchten. Und in der Nacht vor der Kreuzigung gibt Christus sich den Aposteln nicht bildlich, sondern ganz real: er nahm Brot und segnete es, brach es und gab es den Jüngern und sagte: „Nehmt und esst; das ist mein Leib“. Und er nahm den Kelch und dankte und gab ihn ihnen und sagte: „Trinkt alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Matthäus 26,26–28). So wurde das erste Abendmahl gefeiert – das Sakrament der Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi, das seither in der Kirche von den Händen der Bischöfe und Priester, den Nachfolgern der Apostel, ununterbrochen gefeiert wird, wie der Herr selbst angeordnet hat.

Es wäre natürlich ein Fehler, das Bild Christi ausschließlich in rosigen Farbtönen zu malen. Er konnte Menschen tadeln und an ihren Platz verweisen, die Händler aus dem Tempel in Jerusalem vertreiben, die das Gebetshaus in „eine Räuberhöhle“ verwandelt hatten (Matthäus 21, 13). Aber er tadelte die Heuchler und Lügner, aus denen zum großen Teil die damalige jüdische Elite bestand – die Hohepriester, die Ältesten, die Pharisäer. Viele von ihnen hielten sich für Gerechte und bemühten sich nicht einmal, das Wesen ihres Glaubens zu verstehen; kein Wunder, dass sie in Jesus Christus nicht den erwarteten Messias sehen konnten. Und aus dem Tempel vertrieb er diejenigen, die hoffnungslos vergessen hatten, den Unterschied zwischen dem Gesetz vorgeschriebenen Opfer und dem Instrument persönlicher Bereicherung.

Was auch immer Christus tut, geht immer vom Interesse des Menschen aus, nicht von einem Vorteil für sich selbst. In ihm gibt es nicht den geringsten Hauch von Egoismus, er sucht keine Annehmlichkeiten oder Vorteile für sich, er sucht nicht sein Eigenes (1 Korinther 13, 5), im Gegenteil, er gibt sich den Menschen hin – und das ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Verständnisses der Worte des Johannes, dass Gott Liebe ist (1 Johannes 4, 16). Deshalb kann menschlicher Zorn und Grausamkeit niemals durch die Episode der Vertreibung der Händler aus dem Tempel gerechtfertigt werden. Alle solche „Rechtfertigungen“ sind selbstgefällig.

Nicht einmal eine sehr oberflächliche Lektüre des Evangeliums lässt Zweifel an der Richtigkeit des Propheten und Königs Davids aufkommen, der bereits vor 950 Jahren vor Christi Geburt schrieb: „Der HERR ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld“ (Psalm 145, 8). Genau so hat sich Gott in Jesus Christus offenbart – als die Verkörperung der Liebe.

Die Liebe Christi zeigte sich nicht nur (und vielleicht nicht einmal so sehr) in seinen unzähligen Werken der Barmherzigkeit gegenüber einzelner Menschen. Die Liebe Christi der Menschheit und der Schöpfung gegenüber wurde auf dem Golgotha sichtbar und in der Auferstehung unaussprechlich begreifbar, denn mit seinem ganzen Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung brachte er den Menschen Erlösung von Sünde und Tod, öffnete die Tür zum Reich Gottes, die seit dem Sündenfall verschlossen geblieben war und ermöglichte die Rückkehr des Menschen in den Paradies der Glückseligkeit. 

Schlusswort

Die Liebe, wie sie im Evangelium offenbart ist, bleibt für den Menschen ein Mysterium. Es ist sogar im christlichen Sinne nach dem „Was“ der Liebe zu fragen, sondern nach dem „Wer“ ist die Liebe. Eine schwierige Aufgabe. Die Antwort liegt im Evangelium, in der Frohen Botschaft, die in der Person Jesu Christi sichtbar und spürbar wird.

Auch wenn es nicht möglich ist, die Liebe restlos zu definieren, so haben wir die unzähligen Heiligen, von der Erschaffung der Welt bis heute, die uns auf vielfältige Weise die Kraft und Tiefe dieser unsagbaren Liebe zeigen. So begreifen wir, dass die wahre Liebe kein rein inneres Gefühl ist, sondern vor allem eine willentliche Handlung. Sie ist eine restlose Hingabe. Sie kann schmerzhaft sein, aber sie ist der Kern der christlichen Liebe, die letztlich zum Leben und zur Vergöttlichung führt.

Jesus selbst ist das ultimative Beispiel dieser Liebe. Er gab sein Leben für die Menschheit, ohne Ausnahme. Seine Liebe kennt keine Grenzen. In seiner Person wird das paradoxe Glück derjenigen verständlich, die sich für die Liebe entscheiden. Denn niemand ist glücklicher als diejenigen, die sich für die Liebe entschieden. Denn sie erfahren in der Praxis, dass die Liebe nicht nur eine Willensanstrengung, nicht nur Arbeit und der Zwang, gute Beziehungen zu Menschen zu pflegen ist, sondern auch großes Glück oder, um es in der Sprache des Evangeliums zu sagen, Glückseligkeit. Dieser Zustand ist erstaunlich integral und vielschichtig und erfasst den ganzen Menschen, in dem Gefühle ihren rechtmäßigen Platz finden. Eine andere Sache ist, dass echte Liebe im Gegensatz zur romantischen Liebe nicht unsere eigene Schöpfung ist (nicht das Produkt unserer Wünsche, Träume, hormonellen Veränderungen im Körper usw.), sondern ein Geschenk Gottes, Gnade, die er uns schenkt, als eine Antwort auf unsere Bemühungen.

Die Große Fastenzeit ist eine besondere, eine einzigartige Möglichkeit, mit der Einübung der Liebe zu beginnen. Deshalb auch hier eine Einladung, auch wenn verspätet, sie zu nutzen, um durch Fasten, Lesung der Schrift, Teilnahme an den Gottesdiensten, Meditation über Gott und Gute Taten, die Osterbotschaft besser begreifen zu können, die Worte begreifen zu können, was es heißt:

Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt,
bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.

1. Joh 4, 16