Eine kleine Sowjetrepublik im großen Krieg
Als die deutsche Wehrmacht 1941 die Sowjetunion überfiel, lag die Armenische SSR zwar fernab der Frontlinien, doch ihr Beitrag zum Sieg war unverkennbar. Fast jeder fünfte Einwohner der damaligen Sowjetrepublik – über 300.000 Menschen – zog an die Front. Inklusive Armeniern aus anderen Teilen der UdSSR standen insgesamt rund 500.000 Sowjetarmenier in den Reihen der Roten Armee. Viele armenische Soldaten kämpften mit beispiellosem Einsatz: Sechs armenische Divisionen wurden aufgestellt – etwa die berühmte 89. „Tamanyan“ Schützendivision, die in den Kämpfen um den Kaukasus und bei der Befreiung der Krim Herausragendes leistete und schließlich an der Eroberung Berlins teilnahm. Armenische Kommandeure erreichten die höchsten Ränge: fünf Armenier trugen den Marschall-Titel der Sowjetunion (darunter der legendäre Marschall Hovhannes Baghramjan, Kommandeur der 1. Baltischen und später 3. Weißrussischen Front). Über 60 Generäle armenischer Herkunft kommandierten Verbände in allen Kriegsschauplätzen. Dieses kleine Land stellte der sowjetischen Kriegsmaschinerie also ein Vielfaches seiner demografischen Möglichkeiten zur Verfügung – eine Mobilisierung, die nur mit enormem Patriotismus und Opferbereitschaft erklärbar ist.
Auch jenseits des Schlachtfelds trug die Armenische SSR entscheidend zum Krieg bei. Bereits in den 1930er-Jahren als „Silicon Valley der Sowjetunion“ bekannt, stellte Armenien nun seine Industrie komplett auf Rüstung um. Fabriken in Jerewan und anderen Städten produzierten Gummi, Kupfer, Aluminium, Karbid, Sprengstoff, Funkausrüstung und zahllose andere kriegswichtige Güter. Insgesamt wurden während der Kriegsjahre in Armenien über 30 neue Fabriken und 110 Werkstätten in Betrieb genommen, die mehr als 300 verschiedene Produkte für die Front herstellten. Auch wissenschaftlich-kulturell leisteten Armenier Bemerkenswertes: So rettete der aus Armenien stammende Kunsthistoriker Josef Orbelí als Direktor der Eremitage in Leningrad unersetzliche Kunstschätze vor den anrückenden Truppen und dokumentierte später in Nürnberg die NS-Kunstraub-Verbrechen. Obwohl keine Schlacht auf armenischem Boden stattfand, war das gesamte Land in Kriegsstimmung: von den Fabrikhallen bis zu den Universitäten herrschte Aufbruchsstimmung, überall der Wille, das Vaterland zu verteidigen.
Der Blutzoll dieser Anstrengung war immens. Über 200.000 armenische Soldaten kehrten nicht mehr heim, gefallen auf den Feldern von Stalingrad bis Berlin – das entsprach jedem siebten Bewohner der Armenischen SSR. Kaum eine Familie blieb unberührt. Dieser hohe Preis spiegelt die Rolle Armeniens als wichtiger Mosaikstein im großen sowjetischen Kriegspuzzle wider: Ein kleines Volk, das nur eine Generation nach dem eigenen Überlebenskampf (dem Genozid von 1915) erneut gigantische Opfer im Kampf gegen den Faschismus brachte.
Diaspora und Armenische Apostolische Kirche
als zweite Front
Armeniens Beitrag zum Zweiten Weltkrieg beschränkte sich nicht auf die Sowjetunion. Weltweit mobilisierte die armenische Diaspora ihre Kräfte, um die Achsenmächte zu besiegen. Über 100.000 Armenier in der Diaspora traten in die Streitkräfte der Alliierten ein. Darunter kämpften fast 20.000 armenischstämmige GIs in der US-Armee und tausende Diaspora-Armenier in der französischen Résistance. Berühmt wurde in Frankreich die Maquis-Gruppe um Misak Manuschian, einen armenischen Dichter und Genozid-Überlebenden, der als Anführer einer Partisaneneinheit Dutzende Sabotageakte gegen die deutschen Besatzer durchführte. Manuschian wurde hingerichtet, doch sein Mut machte ihn posthum zum französischen Nationalhelden – ein Armenier als Symbol des antifaschistischen Widerstands in Europa. Ähnliche Geschichten wiederholten sich von Griechenland bis Nordafrika, wo verstreute Gemeinden Söhne an die Front schickten oder heimlich die Alliierten unterstützten. Armenier kämpften in nahezu jedem Kriegsschauplatz – ob in sowjetischen oder alliierten Uniformen, ob als Soldaten oder Partisanen –, wodurch das ganze armenische Volk in Ost und West Teil des gemeinsamen Kampfes gegen den Nazismus war.
Eine besondere Rolle bei der weltweiten Mobilisierung spielte die Armenische Apostolische Kirche. Während Stalins Regime daheim Religionsgemeinschaften kaum frei agieren ließ, nutzten armenische Geistliche im In- und Ausland ihre Autorität, um das Volk zu einen. Schon im Juli 1941 rief der amtierende Katholikos Kevorg Tschorektschjan, alle Armenier – unabhängig vom Wohnort – zum Beitrag für den „Heiligen Krieg“ gegen Hitler auf. Dieser Appell zeigte Wirkung: Diaspora-Gemeinden von Beirut bis Boston sammelten Geld, Gold und Juwelen, um die Rote Armee zu unterstützen. Unter Schirmherrschaft der Kirche wurden eigens Spendenkomitees gegründet, etwa 1943 in New York. Die Hilfsbereitschaft war so groß, dass von dem Geld komplette militärische Einheiten finanziert werden konnten. Berühmt ist der Fall der „Sasuntsi-Davit“-Panzerkolonne: Diaspora-Armenier in den USA, im Nahen Osten und sogar in Äthiopien spendeten so viel, dass Anfang 1944 21 nagelneue T-34-Panzer angeschafft und von Etschmiadsin (dem Sitz des Katholikos in Armenien) aus an die Front geschickt wurden. Diese Panzer trugen stolz den armenischen Namen „David von Sasun“ – nach dem Helden einer Volksepos – auf ihren Türmen und rollten vom Dnjestr bis nach Ostpreußen im Kampf gegen die Wehrmacht. Sogar die armenische Kirche selbst spendete aus ihrem bescheidenen Schatz – rund 800.000 Rubel und andere Wertgegenstände – für die Kriegskasse. Pläne, noch eine zweite Diaspora-finanzierte Einheit aufzustellen (benannt nach Marschall Baghramjan), wurden lediglich vom schnellen Kriegsende durchkreuzt.
Dieser Schulterschluss zwischen Heimat und Diaspora war beispiellos. Die gesamte armenische Nation kämpfte, direkt oder indirekt, an der Seite der Alliierten. Der damalige Katholikos wurde gar als „Volksführer“ verehrt, weil er es verstand, alle Armenier über Grenzen hinweg im gemeinsamen Kampf zu vereinen. Die Armenische Apostolische Kirche fungierte so als geistige Brücke, die den Patriotismus nährte und die Identität stärkte – ein Faktor, der gerade in Kriegszeiten von unschätzbarem Wert war. Diaspora-Armenier, motiviert durch Appelle aus Etschmiadsin und getrieben von der Erfahrung früherer Verfolgung, sahen den Kampf gegen Hitler auch als Prävention neuer Genozide. So wurde Glaube mit Vaterlandsliebe verbunden, was half, die verstreuten Kräfte eines Volkes zu bündeln.

Heldenehrung und nationales Gedächtnis
Nach 1945 kehrte zwar Frieden ein, doch in Armenien lebte die Erinnerung an den Krieg in jeder Straße fort. Überall im Land wurden Ehrenmale errichtet, um der Gefallenen zu gedenken – von einfachen Dorfdenkmälern bis zum monumentalen „Mutter Armenien“ in Jerewan, einer 22 Meter hohen Statue, die schützend ein Schwert hält. Schon in den letzten Kriegstagen, am 9. Mai 1945, erstrahlte über dem Lenin-Platz in Jerewan ein Festfeuerwerk, und die Republik feierte inbrünstig den Sieg über den Faschismus. In den folgenden Jahrzehnten der Sowjetzeit wurde der Tag des Sieges jedes Jahr begangen: Veteranen mit Ordensspangen versammelten sich in Parks, Schulkinder lernten von ihren Großvätern die Geschichten von der Front. Das Andenken an die „Heldenbefreier“ wurde offizieller Teil der Geschichtspolitik – rund 600 Kriegsdenkmäler stehen bis heute unter staatlichem Schutz in Armenien. Sie sind gepflegte Orte der Ehrung, an denen am 9. Mai rote Nelken niedergelegt werden. Die größte dieser Gedenkstätten, der Siegespark mit dem Grabmal des unbekannten Soldaten unter der Mutter-Armenien-Statue, ist bis heute nach der Genozid-Gedenkstätte Tsitsernakaberd der meistbesuchte Erinnerungsort des Landes.
Gleichwohl nimmt der Zweite Weltkrieg im armenischen Geschichtsbewusstsein eine andere Stellung ein als in Russland. Historiker weisen darauf hin, dass der „Große Vaterländische Krieg“ zwar wichtig, aber nicht die Gründungslegende der modernen armenischen Nation ist. Diese Rolle spielt vielmehr der Völkermord von 1915, dessen Trauma und Mahnung bis heute die armenische Identität prägen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Kriegsgedenken verblasst wäre – im Gegenteil: Die Erinnerung an 1941–1945 wurde in Armenien mit nationalen Narrativen verflochten. Sowjetische und armenische Erinnerungskultur gingen eine Art „Kompromiss“ ein. Man ehrte die gemeinsamen sowjetischen Siege, betonte aber zugleich die eigenen armenischen Helden und Opfer. Nach der Unabhängigkeit 1991 blieben die meisten sowjetischen Kriegerdenkmäler unangetastet, nur offensichtlich kommunistische Symbole verschwanden. An vielen Sowjet-Mahnmalen kamen neue Tafeln hinzu, die zusätzlich die Gefallenen der jüngeren Konflikte – insbesondere der Karabach-Kriege – würdigen. In Jerewan etwa erinnert heute im Siegespark nicht nur die Mutter-Armenien an 1945, sondern auch benachbarte Denkmale an die Helden von Schuschi 1992 (der Befreiung der Stadt im ersten Berg Karabach Krieg). Diese bewusste Verschränkung der Gedenkkulturen sorgt dafür, dass am 9. Mai sowohl an den Sieg über Hitler wie an die Siege in Karabach erinnert wird. So legt mancher Veteran der jüngsten Kriege eine Blume auch am Mahnmal nieder – Vergangenheit und Gegenwart treten in Dialog.
Im heutigen Nationalbewusstsein steht der Zweite Weltkrieg somit einerseits für Stolz und Dankbarkeit – stolz auf den Beitrag der Vorfahren zur Befreiung von Nazismus, dankbar für den erzielten Frieden –, andererseits auch als Mahnung. Die Geschichten von Großvätern, die in den Schützengräben von Kursk oder den Wäldern des Balkans kämpften, werden in armenischen Familien weitergegeben als Lektionen über Patriotismus, Zusammenhalt und die Wachsamkeit gegenüber Existenzbedrohungen. In jedem Mai sieht man in Jerewan ältere Menschen mit schwarz-orangenen Georgsbändern (einem Sowjetorden-Symbol) und zugleich junge Pfadfinder, die Porträts gefallener Verwandter hochhalten. Das Land gedenkt seiner „großen Generation“, aber immer mit dem Unterton: Nie wieder. Nie wieder Faschismus, nie wieder weltweiter Krieg – und für Armenien insbesondere: nie wieder das Gefühl, allein auf weiter Flur um das eigene Überleben kämpfen zu müssen.
Alte Allianzen, neue Konflikte
Mit diesem Geschichtsverständnis im Gepäck blickt Armenien auf eine Gegenwart, die erneut von gefährlichen Spannungen geprägt ist. Heute, 80 Jahre nach Kriegsende, ist das kleine Land im Südkaukasus wieder mit existenziellen Fragen konfrontiert – allerdings in einer Welt, in der die klaren Fronten von 1945 fehlen. Armenien steht eingekeilt zwischen historischen Widersachern und unsicheren Bündnispartnern. Die Türkei, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zwar neutral blieb, war für Armenier schon damals ein latenter Bedrohungsfaktor (Stalin stationierte sicherheitshalber armenische Divisionen an der Grenze zur Türkei. Bis heute weigert sich Ankara, den Genozid von 1915 anzuerkennen, und pflegt ein enges Bündnis mit Armeniens erbittertem Nachbarn Aserbaidschan. Letzteres hat in den letzten Jahren mit türkischer und israelischer Unterstützung zwei Kriege um die Region Bergkarabach geführt – 1992-94 und 2020 – und dabei erhebliche Gebietsgewinne erzielt. Der Krieg von 2020, ein 44-tägiger Konflikt um die überwiegend armenisch besiedelte Region Arzakh (Berg Karabach), endete für Armenien verlustreich; über 4.000 gefallene Soldaten und die Preisgabe Artsakhs waren die Folge. Russland intervenierte als Vermittler mit einem Waffenstillstand – und stationierte Friedenstruppen –, doch ein echter Frieden blieb aus. Grenzgefechte und Blockaden halten die Bedrohungslage aufrecht. Im armenischen Alltagsbewusstsein haben sich die Bilder eingebrannt: Drohnenangriffe auf armenische Dörfer, Flüchtlingskolonnen aus Artsakh, die Furcht vor einer geschlossenen türkisch-aserbaidschanischen Front. Viele Armenier sehen in diesen Entwicklungen ein unheilvolles Echo ihrer Geschichte: den Versuch, ein kleines Volk in die Knie zu zwingen. Entsprechend emotional ist die öffentliche Rhetorik – Aserbaidschans Vorgehen wird mitunter offen als Fortsetzung jener Aggression verstanden, der man einst 1945 „Nie wieder“ entgegenrief.
Doch anders als 1941–45 fehlt heute die Gewissheit eines verlässlichen starken Verbündeten. Russland, einst im Großen Vaterländischen Krieg der „große Bruder“ und seit Jahrzehnten Armeniens Schutzmacht, hat aus armenischer Sicht an Zuverlässigkeit verloren. Obwohl formell durch einen Verteidigungsvertrag und eine russische Basis in Armenien verbunden, blieb Moskau während kritischer Momente – etwa Aserbaidschans Vorstoß 2020 oder der Blockade des Lachin-Korridors 2022/23 – auffallend passiv. In Jerewan fühlt man sich von Putin im Stich gelassen: „Russland hat Armenien verraten, indem es seinen Bündnispflichten zum Schutz der armenischen Souveränität nicht nachkam“, lautet inzwischen der breite Konsens. Diese Enttäuschung sitzt tief, zumal die gemeinsame Siegeserzählung von 1945 lange ein Fundament der Freundschaft war. Nun aber sieht sich Armenien gezwungen, neue Wege zu gehen – etwa mit zaghaften Annäherungen an die EU und die USA, so schmerzhaft das die einstige Moskauer Allianz auch belastet. Gleichzeitig weiß man: Russland bleibt (schon geografisch) ein Faktor, den man nicht ignorieren kann. So entstand jüngst eine eigenartige Balance zwischen Abwendung und Annäherung: 2024 distanzierte sich Armeniens Regierung demonstrativ von Moskau, schloss etwa Militärübungen mit den USA ab; doch schon im Frühjahr 2025, als ein mögliches Friedensabkommen mit Aserbaidschan greifbar schien, bemühte sich Jerewan wieder um Kreml-Kontakte. In einem symbolträchtigen Schritt kündigte Premier Nikol Paschinjan an, am 9. Mai 2025 – dem russischen „Siegestag“ – zur Militärparade nach Moskau zu reisen. Fast spiegelbildlich tat dies auch Aserbaidschans Präsident Alijew. Die einst gemeinsame Siegesfeier von 1945 wird so zur diplomatischen Bühne von heute, auf der beide Kontrahenten um Russlands Gunst buhlen. Geschichte wiederholt sich hier nicht, aber sie wird bewusst zitiert: Man weiß um die Bedeutung, die der Kreml der Weltkriegserinnerung beimisst, und versucht diese für aktuelle Ziele zu nutzen.
Währenddessen bleiben die regionalen Spannungen hoch. Die Waffenruhe mit Aserbaidschan ist fragil, die Verhandlungen zäh. Der Blick nach Westen, zu Europa und der großen armenischen Diaspora dort, gewinnt daher für Armenien strategisch und moralisch an Gewicht. In schweren Stunden – sei es Krieg oder politische Isolation – konnte sich Armenien stets auf seine weltweite Gemeinschaft stützen. Schon 1945 half die Diaspora tatkräftig; heute macht sie in Washington, Paris oder Berlin die Öffentlichkeit auf Armeniens Lage aufmerksam. Westliche Staaten vermitteln zunehmend zwischen Jerewan und Baku, doch echte Sicherheit ist für Armenier nur in Reichweite, wenn es gelingt, Lehren aus der Geschichte umzusetzen. Diese Lehren lauten: Allianzen müssen verlässlich sein. Internationale Solidarität ist überlebenswichtig. Und ein Volk, das um sein Dasein kämpft, darf nie vergessen werden. Mit mahnendem Blick auf 1945 appelliert Armenien an die Weltgemeinschaft, aktuellen Aggressoren entschlossen entgegenzutreten – damit die Opfer von gestern nicht durch Untätigkeit heute entwertet werden.
Glaube und Identität: Die Kirche als Brücke in Deutschland
Doch trotz aller geopolitischen Unsicherheit schöpft Armenien Hoffnung aus der Beständigkeit seiner Kultur und Diaspora – exemplifiziert durch die Rolle der armenischen Kirche in Europa. In Deutschland etwa, wo inzwischen zehntausende Armenier leben, dient die Armenische Apostolische Kirche als kulturelle und spirituelle Brücke zwischen der alten Heimat und der neuen Umgebung. Die 1991 gegründete Diözese der Armenischen Kirche in Deutschland mit Sitz in Köln betreut Gemeinden im ganzen Bundesgebiet. Ihr Zentrum ist die Kirche Surp Sahak Mesrop in Köln, eine ehemals katholische Kirche, die heute als Kathedrale der armenischen Gemeinde dient. Sogar in kleineren Städten – etwa im schwäbischen Göppingen, wo den Armeniern eine einstige evangelische Kirche zur Verfügung steht – hat die Gemeinde ein Zuhause. Diese Gotteshäuser sind weit mehr als nur Orte des Gebets. Sie sind Gemeinschaftszentren, in denen Armenier der zweiten und dritten Generation ihre Sprache lernen, traditionelle Lieder singen und an Gedenkfeiern teilnehmen. Die Kirche bewahrt und vermittelt armenisches Kulturerbe – von der uralten Liturgie bis zur Erinnerung an historische Ereignisse – und hilft so, die nationale Identität lebendig zu halten. Nicht umsonst gilt die Apostolische Kirche vielen als Hüterin der armenischen Identität schlechthin. In der deutschen Fremde schafft sie ein Gefühl von Heimat: Hier finden sich die Nachfahren der Genozidüberlebenden, der Weltkriegsveteranen und der Sowjetemigranten unter einem Dach zusammen, um gemeinsam Weihnachten nach dem alten Kalender zu feiern oder jedes Jahr am 24. April den Genozid von 1915 zu gedenken.
Zugleich wirkt die armenische Kirche als Brückenbauer zur Mehrheitsgesellschaft. Durch ökumenische Kontakte – etwa in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen – und kulturelle Veranstaltungen machen armenische Gemeinden in Deutschland ihre reiche Geschichte sicht- und hörbar. So mancher Deutsche, der ein Konzert mit geistlichen Liedern des Komitas oder eine Ausstellung über armenische Kunst besucht, lernt beiläufig auch etwas über Armeniens Rolle im Zweiten Weltkrieg oder den Einsatz der Diaspora. Die Kirche repräsentiert damit das armenische Volk in Würde nach außen, während sie nach innen für Zusammenhalt sorgt. Gerade in Zeiten, da Armenien politisch um seinen Platz ringt, wird die Diaspora – gestützt auf Institutionen wie die Kirche – zu einer lebendigen Botschafterin armenischer Belange in Europa.
Mit Geschichte in die Zukunft
Am Ende führt der Weg Armeniens immer wieder zurück zur Geschichte. Das Erbe des Zweiten Weltkriegs – die Geschichten von Heldenmut und Opfer, von globaler Solidarität und geteiltem Sieg – begleitet die armenische Nation bis heute als Inspiration und Warnung zugleich. In den Mahnwachen vor den Kriegsdenkmälern flüstert die Vergangenheit den Jüngeren zu: Bleibt wachsam, seid einig, erinnert euch. Das kleine Armenien hat in den dunkelsten Stunden des 20. Jahrhunderts Großes geleistet und Schreckliches erduldet. Dieses Vermächtnis verpflichtet. Es mahnt die Armenier, in der Gegenwart klug und geschlossen zu handeln – und es mahnt die Welt, Armeniens Stimme nicht zu überhören.
Die Größe einer Nation bemisst sich nicht an ihrer Einwohnerzahl, sondern an der Größe ihrer Träume und der Tiefe ihres Gedächtnisses. Armenien träumt vom Frieden – und sein Gedächtnis ruft uns allen ins Bewusstsein, welch hohen Preis die Freiheit hat. Die Geschichte Armeniens im Zweiten Weltkrieg ist daher mehr als ein Rückblick – sie ist ein Appell an die Gegenwart, verantwortungsvoll mit Frieden, Bündnissen und Menschlichkeit umzugehen.
Quellen: Diaspora & Kirche im Krieg, hy.wikipedia.org; military-history.fandom.commilitary-history.fandom.com; Erinnerungskultur en.odkb-csto.orgcultures-of-remembrance.com; Aktuelle geopolitische Lage eurasianet.orgeurasianet.org; Armenische Kirche in Deutschland de.wikipedia.orgbritannica.com.