Fastenzeit vor Weihnachten
Die geistliche Vorbereitung zum Fest
In der Armenischen Apostolischen Kirche in Baden-Württemberg stehen besondere Tage bevor: die Feier der Geburt Jesu Christi. Diese festliche Zeit wird von einer Woche spiritueller Einkehr und Vorbereitung eingeleitet – der Fastenzeit vor Weihnachten. Vom Abend des 29. Dezember bis zum Abend des 5. Januar begeben sich die Mitglieder der armenischen Gemeinde auf eine spirituelle Reise, indem sie ausschließlich vegane pflanzliche Nahrungsmittel konsumieren, die Heilige Schrift lesen und sich an den Gottesdiensten beteiligen.
Es ist interessant zu wissen, dass in den ersten Jahrhunderten, als das Weihnachtsfest und die Fastenzeit vor Weihnachten sich etablierten, das neue Jahr gemäß dem alten armenischen Kalender am 1. Navasard, also dem 11. August, gefeiert wurde. Dieses Datum kollidierte nicht mit der traditionellen Fastenzeit vor Weihnachten. Mit der Einführung eines neuen Kalenders änderte sich jedoch die Dynamik, und das Neujahrsfest wurde auf den 31. Dezember verlegt. Somit wurde das Neujahrsfest gleichzeitig zu einer Zeit des Fastens für die armenischen, aber auch viele orthodoxe Christen.
Die Gläubigen beenden ihre Fastenzeit entweder am Abend des 5. Januar nach der Liturgie zur Geburt der Heiligen Kerze oder am 6. Januar nach der Liturgie zum Geburt und Epiphanie des Heiligen. In diesen festlichen Augenblicken begrüßen die Mitglieder der Gemeinde einander mit den erhebenden Worten: „Christus ist geboren und erschienen, gesegnet sei die Erscheinung Christi.“
Doch nicht nur das Fasten ist wichtig. Die Gemeinde engagiert sich auch in Wohltätigkeitsaktionen während des armenischen Advents (Hisnak). Viele Mitglieder beteiligen sich aktiv am Teilen und Helfen, sei es durch die Unterstützung bedürftiger Familien oder durch die Teilnahme an örtlichen Projekten. Diese Taten der Nächstenliebe zeigen, dass die spirituelle Vorbereitung auf die Geburt Christi auch durch praktisches Handeln im Sinne der christlichen Werte gelebt wird.
„Manchmal beklagen sich einige Mitglieder, wieso wir am Silvester als armenische Christen fasten müssen“- so Pfarrer Diradur Sardaryan. „Freude und Fasten bzw. Enthaltung scheinen manch einem Begriffe zu sein, die miteinander nicht vereinbart werden können. Doch im Gegenteil, wenn ein Mensch aufmerksam mit seinem Selbst umzugehen versucht, wird seine Seele heller und das Leben sinnvoller. Indem wir unsere großen und kleinen Leidenschaften überwinden, erleben wir die Freude des Sieges über sie und sind mit dem Segen Gottes erfüllt“. Für den Gemeindepfarrer ist wichtig, dass nicht nur auf das äußere geachtet wird, denn die Fastenzeit ist keine simple Diät, sondern ein Weg des spirituellen Wachstums.
Die Freude des Weihnachtsfestes und die Fastenzeit vor Weihnachten ist die Freude der Begegnung mit Jesus Christus. Weihnachten offenbart eine der grundlegenden Wahrheiten des Christentums: Die Tatsache, dass Gott, der Schöpfer des Universums, aus Liebe zum Menschen sich in das Mensch-Sein hineinbegibt, um den Tod zu überwinden und Leben zu schenken. Dabei beginnt dieses großartige Werk Gottes nicht in einem Palast, sondern in der Krippe von Bethlehem und lehrt uns immer wieder aufs neue, dass sogar die großartigen Sachen zunächst klein anfangen und sich allmählich entwickeln.
Egal, ob wir es Weihnachtsfasten, Hisnak oder Advent nennen – diese Zeit vor Weihnachten bereitet uns auf eine sehr wichtige Wahrheit vor: die frohe Botschaft von der Menschwerdung des Sohnes. Und wenn dies nicht geschehen wäre, wenn Weihnachten die Geburt eines gewöhnlichen Menschen oder eine schöne Legende wäre, dann gäbe es weder Auferstehung noch den Sieg über den Tod, noch die Kirche selbst als den Leib Christi. Schließlich, und vor allem, wenn es kein Weihnachten gäbe, gäbe es auch kein Heil für uns! Denn es begann nicht erst auf Golgatha oder im Garten von Gethsemane. Die Rettung des Menschen vor dem Tod begann bereits in einer armseligen Höhle am Rande von Bethlehem. Und genau dorthin geht der Mensch während des gesamten Weihnachtsfastens Christus entgegen.
AGBW