Weihnachten – eine ganz besinnliche und besondere Zeit im Jahr. Aber was bedeutet Weihnachten eigentlich?
In der Geschichte der Menschheit markiert der 25. Dezember einen bemerkenswerten Wendepunkt, an dem sich verschiedene kulturelle und spirituelle Traditionen wie Lichtstrahlen in einem Brennglas vereinen. In den nebelverhangenen Wäldern Nordeuropas versammelten sich die Germanen zu dieser Zeit um ihre Feuer, um das Mittwinter- oder Julfest zu begehen – ein komplexes Ritual, das den ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt in der Natur feierte.
Diese Verbindung von Licht und Hoffnung fand sich auch in anderen antiken Kulturen wieder. Im geheimnisvollen Mithraskult Vorderasiens wurde die Geburt des strahlenden Lichtgottes zelebriert, während im Land der Pharaonen die Geburt des Horus, Sohn der Isis, den Triumph des Lichts über die Dunkelheit symbolisierte. Das römische Reich, das diese verschiedenen Traditionen in sich vereinte, ehrte an diesem Tag Sol Invictus, den unbesiegbaren Sonnengott, der das Versprechen ewigen Lichts verkörperte.
In diesem Mosaik religiöser Traditionen erkannte die frühe christliche Kirche eine tiefere Bedeutung. Mit bemerkenswertem theologischem Gespür setzte Papst Hyppolit im Jahr 217 n. Chr. den 25. Dezember als Geburtstag Jesu Christi fest. Dies war mehr als nur ein administrativer Akt – es war eine profound theologische Deutung, die die universelle Sehnsucht nach Licht und Erlösung in der Person Jesu Christi erfüllt sah.
Die frühen Christen fanden in ihrer Heiligen Schrift bereits die Vorankündigung dieser kosmischen Bedeutung. Das Alte Testament sprach vom kommenden Erlöser als der „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20), und Jesus selbst bezeichnete sich als das „Licht der Welt“ (Joh 8,12), „das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9). Diese Metaphorik des Lichts wurde zur Brücke zwischen den alten Traditionen und der neuen christlichen Botschaft.
Die endgültige Festlegung des Weihnachtsfestes durch Papst Liberius im Jahr 354 und seine dogmatische Bestätigung auf dem Zweiten Konzil von Konstantinopel 381 unter Kaiser Theodosius verankerten dieses Datum fest im christlichen Kalenderjahr. Weihnachten wurde zum Symbol eines cosmic Wendepunkts – der Gewissheit, dass selbst in den dunkelsten Stunden der Geschichte das Licht der Hoffnung nie erlöscht.
Heute, in einer Zeit, die von Hektik und oft oberflächlichem Konsum geprägt ist, lädt uns das Weihnachtsfest ein, uns auf seine tiefere Bedeutung zu besinnen. In Deutschland hat sich Weihnachten zu einem Familienfest entwickelt, bei dem das gemeinsame Feiern und gegenseitiges Beschenken im Mittelpunkt stehen. Doch wie ist es in der Armenischen Kirche? Warum feiern die Armenier Weihnachten am 6. Januar?
Weihnachten in der armenischen Tradition
Weihnachten – eine ganz besinnliche und besondere Zeit im Jahr.
Aber was bedeutet Weihnachten eigentlich?
Das armenische Weihnachtsfest (Surb Tsnund), offenbart eine besondere Verbindung zwischen historischer Treue und tiefer theologischer Bedeutung. Anders als die meisten christlichen Traditionen feiert die Armenische Apostolische Kirche die Geburt Christi am 6. Januar – ein Datum, das uns zurück zu den Wurzeln des christlichen Glaubens führt.
Diese Beständigkeit in der Tradition ist keineswegs ein starres Festhalten an alten Bräuchen, sondern vielmehr ein lebendiges Zeugnis theologischer Überzeugung. Während andere Kirchen im 4. und 5. Jahrhundert das Weihnachtsfest auf den 25. Dezember verlegten, hielt die Armenische Kirche bewusst an der ursprünglichen Verbindung von Geburt und Taufe Christi fest. Diese Entscheidung spiegelt ein tiefes theologisches Verständnis wider: Die Menschwerdung Gottes (Geburt) und seine Offenbarung als Messias (Taufe) sind untrennbar miteinander verbunden.
Der Vorabend des Festes, bekannt als Dschrakaluytz, verdient besondere Aufmerksamkeit. Die Tradition des Lichtanzündens ist mehr als nur symbolischer Akt – sie verkörpert die theologische Wahrheit, dass Christus das „Licht der Welt“ ist. Wenn die Gläubigen ihre Kerzen in die Kirche tragen, während der zeitlose Hymnus „Christus ist geboren und erschienen“ erklingt, wird die Gemeinde Teil einer jahrhundertealten liturgischen Bewegung, die das Göttliche im Irdischen erfahrbar macht.
Die vorweihnachtliche Fastenwoche vom 29. Dezember bis 5. Januar erhält in unserer schnelllebigen Zeit besondere Bedeutung. Sie lädt uns ein, innezuhalten und uns bewusst auf die Begegnung mit dem göttlichen Mysterium vorzubereiten. Das gemeinsame Fastenbrechen am Abend des 5. Januar wird so zu einem Moment tiefer Gemeinschaft – sowohl mit der Familie als auch mit Gott.
Ein besonderes Merkmal der armenischen Tradition ist die Wasserweihe (Ջրոհնութ) am 6. Januar. Diese Zeremonie verbindet auf eindrucksvolle Weise die beiden zentralen Ereignisse – Geburt und Taufe Christi. Das geweihte Wasser wird zum greifbaren Symbol der reinigenden und erneuernden Kraft Gottes in unserer Welt.
Die weihnachtlichen Grußformeln der armenischen Tradition – „Christos dznav yev haydnetsav“ (Christus ist geboren und erschienen) und die Antwort „Orhnyal e haydnoutyunn Christosi“ (Gesegnet sei die Erscheinung Christi) – sind mehr als höfliche Floskeln. Sie sind ein theologisches Bekenntnis und eine gegenseitige Ermutigung, die Bedeutung des Festes im Alltag lebendig werden zu lassen.
Die achttägige Weihnachtszeit, die am 13. Januar mit dem Namenstag Jesu endet, gibt uns Raum, die verschiedenen Aspekte des Weihnachtsmysteriums zu betrachten. Das Weihnachtslied „O großes und wunderbares Geheimnis“ von Movses Khorenatzi aus dem Jahr 441 begleitet uns dabei durch die Jahrhunderte und verbindet uns mit den Glaubenserfahrungen unserer Vorfahren.
Die armenische Weihnachtstradition lehrt uns, dass wahre Tradition nicht in der bloßen Wiederholung alter Bräuche besteht, sondern in der lebendigen Weitergabe tiefer spiritueller Wahrheiten von Generation zu Generation. In einer Zeit, die oft von Oberflächlichkeit geprägt ist, lädt uns das armenische Weihnachtsfest ein, das Geheimnis der Menschwerdung Gottes neu zu entdecken und zu feiern.