Dies ist die Waffe des Sieges der Gläubigen,
Der Gegner und der Siegel des Sieges gegen des Feindes:
Kommet ihr Völker betet an.Wundertäter und Kraftvoller Holz
Sahak III von Dzoraphor, VII – VIII Jh.
Liebe Schwestern und Brüder,
mit diesen Worten des Scharakans zum heutigen Tag, welches von Sahak III von Dzoraphor stamm, möchte ich uns alle einladen das Fest der Kreuzesauffindung für unser Leben, sowohl privat als auch in der Gemeinschaft, neu zu besinnen.
Nach der Kreuzigung Christ, glaubte wohl kaum jemand, was in der Folge passieren würde. Christentum verbreitete sich durch die Welt und ihr wichtigstes Erkennungszeichen wurde eben jenes grausame römische Folterinstrument, an dem Jesus starb. Die Bedeutung des Kreuzes wurde den gläubigen eifrigen Christen immer bewusster. Einen ersten Bericht über die Auffindung des Hl. Kreuzes finden wir aber erst beim Hl. Ambrosios um 395. Die Hl. Kaiserin Helena, die Mutter von Hl. Kaiser Konstantin dem Großen, macht sich im hohen Alter, entsprechen der Wille Gottes, auf dem Weg nach Jerusalem, um dort das verlorengegangene Kreuz des Herrn, die Waffe des Sieges der Gläubigen, zu finden. Dort grub sie auf Golgatha-Hügel drei Kreuze aus. Um zu erfahren, welches nun das Kreuz Christi sei, ließ sie alle drei Kreuze nacheinander auf den Körper eines Toten legen. Unter dem Wahren Kreuz Christi erwachte der Tote dann wieder zu neuen Leben.
Ja, das römische Folterinstrument wurde durch die Auferstehung Christi, durch seinen Sieg über den Tod, zur Waffe des Sieges zum Symbol des Lebens. Daher kommt auch die armenische Tradition das Kreuz ohne den gekreuzigten Jesus Christus darzustellen, sondern das Kreuz des Auferstandenen. Der Herr ist nicht Tod, er ist auferstanden und sogar das verstorbene Holz, aus dem das Kreuz gemacht worden war, beginnt zu blühne, wacht selber auf zum neuen Leben und weckt jeden zum Leben auf, der an den glaubt, der an diesem Kreuz starb um aufzuerstehen.
Das Fest der Auffindung des Hl. Kreuzes ist heute nicht nur ein Tag der Erinnerung und des Gedenkens, sondern vor allem auch eine Einladung für uns die Kraft des Hl. Kreuzes aufzufinden um unseren Glauben an den Auferstandenen zu erneuern.
Wer war aber dieser Christus, der den Tod besiegte? Der Hl. Kyrill von Alexandrien (Deutung des Jh 6, 51) lehrt: Jesus Christus verkörpert den lebenspendenden Logos Gottes – die zweite Person der Hl. Dreifaltigkeit -, indem er, als er Mensch geworden war, seinen menschlichen Leib zugleich durch seine göttliche Eigenschaft verwandelte. Diese unsagbare und wunderbare Vereinigung zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur Jesu Christi in einer Person machte ihn tatsächlich zu dem einen lebenspendenden Leib.
Dieser lebenspendende auferstandene Leib Jesu Christi weckt jeden auf, der sich mit ihm vereinigt. Und somit erfüllt er die Voraussage der Propheten: „Deine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf; wer in der Erde liegt, wird erwachen und jubeln. Denn der Tau, den du sendest, ist ein Tau des Lichts, die Erde gibt die Toten heraus.“ (Js 26, 19). Deswegen kann auch der Heilige Johannes Chrisostomos sagen: „Im Alten Testament gab es das Versprechen der Dauerhaftigkeit und der Langjährigkeit, jetzt aber nicht einfach Dauerhaftigkeit, sondern Leben, das kein Ende hat.“
Christus ermöglicht uns durch den Glauben an ihn und sein Evangelium, aber auch durch die Gemeinschaft mit Ihn, in dem wir an Seinem Leib und Blut teilnehmen, das ewige Leben zu erlangen. Vereint mit ihm bilden wir die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen, deren Oberhaupt Jesus Christus ist. Unser Herr Jesus Christus sagt: „Wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ (Jh 6, 56). Das heißt, dass jeder, der den Leib und das Blut Christi durch die Kommunion empfängt, sich mit dem mystischen Leib Christi, also mit der Kirche vereinigt. Denn die Kirche wird vom Heiligen Paulus „Leib Christi“ genannt (Kol 1, 24), wo Christus das Haupt ist und die Gläubigen die Glieder dieses Leibes sind (Eph 4, 15 – 16). Damit wird die eucharistische Natur der Kirche deutlich. Es wird deutlich, warum wir die Eucharistie als Mitte und Quelle der kirchlichen und christlichen Leben bezeichnen. Denn es gibt keine Eucharistie außerhalb der Kirche, und es gibt keine Kirche ohne Eucharistie.
Wer am eucharistischen Leben der Kirche nicht teilnimmt, kann sich nicht als Mitglied der Kirche bezeichnen. Auch jemand, der getauft ist, sich aber am eucharistischen Leben der Kirche nicht beteiligt, wird nicht mehr Mitglied der Kirche genannt. Der Heilige Johannes Chrisostomos sagt: „Um nicht nur durch Liebe, sondern auch mit den Taten Mitglied des Leibes Christi zu sein, sollen wir uns mit diesem Leib vereinigen. Dies kann durch die Speise geschehen, die uns Christus gegeben hat, damit er seine große Liebe zu uns äußert. Deswegen hat er sich selbst mit uns gemischt und hat seinen Leib in uns verschmolzen, damit wir eins werden, wie ein Leib, vereinigt mit dem Haupt. Und dies ist ein Zeichen der stärksten Liebe … Um uns in eine große Gemeinschaft mit sich zu führen und seine große Liebe zu zeigen, hat er denen, die das wünschen, nicht nur die Fähigkeit gegeben, ihn zu sehen. Er hat ihnen darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, sich mit ihm zu verbinden, ihn zu fühlen, zu speisen, mit den Zähnen seinen Leib zu berühren, sich mit Ihm zu vereinigen und durch Ihn alle Wünsche zu erfüllen“.
Surb Patarag ist der Gottesdienst, in dem das Heilige Mysterium Eucharistie stattfindet. Die Kirche glaubt, dass während der Heiligen Liturgie Gott Vater durch den Heiligen Geist das Brot und den Wein wahrhaftig in Leib und Blut Christi verwandelt. Zwar sehen wir nach diesem Gebet nur das Brot und den Wein, doch unsichtbar sind es tatsächlich der Leib und das Blut Jesu Christi, nur eben in der Gestalt von Brot und Wein.
Der Glaube daran, dass während der Heiligen Liturgie der Leib und das Blut Jesu Christi als unblutiges Opfer wahrhaft dargebracht werden, findet seine Bestätigung nicht nur in der Heiligen Schrift. Auch die Kirchenväter bestätigen diese Lehre sowohl im ersten als auch im dritten Ökumenischen Konzil und in ihren Überlieferungen. Deswegen soll ein gläubiger Christ keinen Zweifel daran haben, dass während der Heiligen Liturgie Jesus Christus selbst wahrhaftig und nicht nur symbolisch anwesend ist. Jesus Christus bringt sich dar, damit jeder, der im Glauben an ihn an der Eucharistie teilnimmt, sich mit ihm und seiner Kirche vereinigen kann.
Die Kirche lehrte und lehrt, dass die Heilige Liturgie einerseits ein Dankesopfer, andererseits aber auch ein Gedächtnis ist, also eine Aktualisierung des einzigen Opfers, das unser Herr Jesus Christus durch seinen Kreuzestod auf dem Golgatha für die Vergebung der Sünden der Welt erbracht hat. Sie ist kein neues Opfer, sie ist auch kein nur mentales Gedenken des Opfers auf dem Golgatha, sondern sie ist das Opfer selbst, welches unser Herr ein für alle Male dargebracht hat. Dasselbe Opfer bringt Jesus Christus auf unserem Altar während der Heiligen Liturgie dar. Der einzige Unterschied zwischen dem Opfer am Kreuz und dem Opfer, das auf dem Altar der Kirche während der Heiligen Liturgie dargebracht wird: auf dem Golgatha hat Jesus Christus seinen Leib und sein Blut sichtbar als Opfer dargebracht, während der Heiligen Liturgie tut er es in der Gestalt von Brot und Wein.
Heute, am Fest der Auffindung des Heiligen Kreuzes, lädt uns die Kirche ein durch die Kommunion am Sieg über den Tod teilhaftig zu werden. Denn dort, auf dem Kreuz hat Jesus Christus gelitten und ist gestorben, und hat die Sünde der Welt auf sich genommen um den Tod zu besiegen. Es ist kein blutiges Opfer mehr notwendig. Denn wir wissen, dass er, „von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn.“ (Röm 6, 9.) und mit ihm alle, die an Ihm glauben und sich mit ihm und seiner Kirche vereinen.
Das Heilige Mysterium geschieht also ohne Leiden, ohne Blut, ohne Tod, und deswegen heißt es unblutiges Opfer, auch wenn es ein Gedächtnis an den Leidenstod auf dem Golgatha ist. Das Opfer am Kreuz war ein Opfer für die Sünden der ganzen Welt, der gesamten Menschheit, vom ersten bis zum letzten Menschen. Durch dieses Opfer wurde die Wahrheit Gottes für die Sünden der Welt befriedigt. Das unblutige Opfer der Eucharistie dagegen berührt Gott nur für die Sünden derjenigen Menschen, für die es dargebracht wird. Es schenkt die Früchte des Kreuzopfers denjenigen, die bereit sind, es zu empfangen und anzunehmen.
Erst wenn wir begreifen, welcher unendlichen restlosen Liebe dadurch uns unser Herr teilhaftig macht, können wir Gott Dankbar sein. Das Beispiel dafür gibt uns Jesus Christus selbst, indem er, bevor er das Brot bricht und seinen Jüngern den Wein kredenzt, ein Dankgebet ausspricht (Lk 22, 19 – 20; 1. Kor 11, 23 – 24). Diesem Beispiel folgt auch der Liturg während der Heiligen Liturgie und spricht ein Dankgebet, in dem er sich für die Werke Gottes bedankt – nämlich für die Schöpfung des Menschen, für die Göttliche Fürsorge um die Schöpfung, für das Rettungswerk Jesu Christi. So lobpreist er den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Neben diesem Dankgebet sprechen die Geistlichen auch ein Gebet, in dem sie das Erbarmen Gottes sowohl für die Gestorbenen wie auch für die Lebenden erbitten.
Lassen wir also zu, dass der Siegel des Sieges und des Friedens durch das Kreuzzeichen und den Empfang der Hl. Kommunion auf uns wirkt. Denn in der Gestalt von Brot und Wein gab uns Jesus Christus seinen Leib und sein Blut und befahl, dieses Mysterium zu seinem Gedächtnis zu feiern. Das tut die von Jesus Christus geleitete Kirche von der apostolischen Zeit und bis in Ewigkeit während der Heiligen Liturgie.
Verfehlen Sie also nicht den Weg zur Kirche, zum gemeinsamen Gebet in der Gemeinschaft der Gläubigen, denn nur hier finden sie das lebendigmachende Zeichen des Heiligen Kreuzes, hier finden Sie den, durch dem dieses Zeichen geheiligt wurde, und nur hier finden sie die Möglichkeit sich mit ihm, dem Herrn Jesus Christus, und mit seiner Kirche zu vereinen und zu Erben des ewigen Lebens zu werden.
Kommet also, ihr Gläubige, preiset den Herrn, preiset die Waffe des Sieges gegen den Feind und betet den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist in Ewigkeit an. Amen.
Pfr. Dr. Diradur Sardaryan