Segnung von Trauben

Die Bedeutung der Traubensegnung am Surb Astvatsatsin

Die Segnung der Trauben ist eine uralte Tradition in der Armenischen Apostolischen Kirche. Es wird am Fest der Mariä Übergang in den Himmel (Surb Astvatstatsin) direkt nach dem Surb Patarag (Göttlichen Liturgie) durchgeführt. Hinter dieser Segnung verbirgt sich eine reiche Symbolik, welche die Verehrung Gottes und die Rolle der Jungfrau Maria in der Offenbarung Gottes, sowie die Dankbarkeit des Menschen für die Ernte betont.

Die Tradition der Traubensegnung hat ihre Wurzeln im Alten Testament.

Im Alten Testament haben Trauben eine besondere symbolische Bedeutung und werden oft als ein Zeichen von Segen, Fruchtbarkeit und Gottes Gabe dargestellt. In biblischen Erzählungen finden wir mehrere Verweise auf Trauben und Wein, die tiefere geistliche Bedeutungen tragen.

Eine der bekanntesten Geschichten, die Trauben im Alten Testament thematisiert, ist die Geschichte von den zwölf Kundschaftern, die von Moses ausgesandt wurden, um das Land Kanaan zu erkunden. Sie kehrten mit riesigen Trauben zurück, die als Beweis für die Fruchtbarkeit des Landes dienten (4. Mose 13:23). Dies symbolisierte den Reichtum und Segen, den Gott seinem Volk verheißen hatte.

Die Trauben werden auch im Zusammenhang mit dem Passahfest erwähnt, bei dem Wein eine zentrale Rolle spielt. Während des Festes wurde nicht nur das Lamm geopfert, sondern auch Wein aus Trauben getrunken. Dieser Wein symbolisierte das Blut des Lammes, das das Volk Israel vor dem Zorn Gottes rettete.

Trauben galten als „Erstlinge“ der Ernte. Nicht nur in Israel, sondern auch in den umliegenden Kulturen wurden Trauben als Gabe Gottes angesehen.  Sie dem Tempel zu Opfern war ein Zeichen der Dankbarkeit. Im Tempel führten Priester spezielle Dankeszeremonien durch, um diese Hingabe zu bezeugen.

Christus als Weinstock und seine Zweige (Johannes 15:1-8)

Jesus Christus als Weinstock und die Heiligen Apostel als Zweige

In der Bibel gibt es auch Parabeln und Metaphern, die Trauben verwenden, um spirituelle Lehren zu vermitteln. Mit der Geburt Jesu bekommt die Traube eine neue Bedeutung. Jesus Christus wurde als „Erstgeborener“ oder „Erstling“ der Hl. Gottesgebärerin Maria betrachtet und im Tempel Gott dargebracht. Diese Darbringung symbolisiert das Geschenk der Menschwerdung Gottes, bei dem die Gottesgebärerin eine zentrale Rolle spielt. Deshalb wurde die Feier der Traubensegnung von den armenischen Kirchenvätern vom Verklärungsfest auf das Fest von Marias Entschlafen und ihren Übergang in den Himmel verlegt.

Wenn durch Adam und Eva die Sünde in die Welt kam, und nicht nur sie beide vom Paradies verbannt wurden, sondern die gesamte Schöpfung „erkrankte“, so kommt durch die Heilige Jungfrau Maria der Erlöser auf die Welt, um die Welt zu heilen. Wenn mit Adam der Fluch kommt, so kommt mit Christus der Segen. Alles wird in IHM und durch IHN gesegnet. Aber von allen Früchten bekommt die Weintraube einen besonderen Platz. Denn der Herr erhob den Weinstock über die mächtigsten Bäume und ehrte ihn mehr als andere Pflanzen, indem er sich selbst mit dem Weinstock und seine Jünger mit den Zweigen verglich (Siehe Johannes 15:1-8). Hier wird die Traube als Symbol für die enge Verbindung zwischen Christus und den Gläubigen verwendet, die notwendig ist, um Frucht zu tragen.

Ferner bekommt auch die Symbolik des Passahs durch die Auferstehung Christi eine neue Bedeutung. Christus, ist das Lamm Gottes, das für unsere Sünden als Opfer dargebracht wird. An zwei Stellen des Johannes-Evangeliums weist Johannes der Täufer auf Jesus Christus mit den Worten hin: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ (Joh 1,29; Joh 1,36 EU) auch Paulus bezeichnet den Herrn Jesus Christus als das Pessach-Lamm (1.Kor 5,7). Der Wein symbolisiert nun das Blut des Lammes. Der Hl. Apostel Petrus bezeugt, dass die Erlösung des Menschen nicht mit vergänglichen Wertstoffen wie Silber oder Gold gekauft (erlöst) wurde, „sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (1 Petr 1,19).  So wird die enge Verbindung zwischen der Hl. Eucharistie (Danksagung) und der Symbolik des Lammes deutlich und dadurch auch die besondere symbolische Bedeutung des Weins und der Trauben, aus dem der Wein vorbereitet wird.

Traubensegnung als Erntedank

Die Traubensegnung ist ind er Armenischen Tradition das Erntedankfest. Sie wird heute in vielen christlichen Gemeinschaften gefeiert. Während die katholischen Christen das Erntedankfest am ersten Sonntag des Oktobers feiert, feiern die evangelischen Christen das Fest am ersten Sonntag nach dem Michaelistag am 29. September.

Doch das Fest hat eine reiche historische Entwicklung und wurzelt in vorchristlichen Bräuchen. Bereits im alten Armenien, im Römischen Reich, im antiken Griechenland und in Israel waren Rituale zur Erntedankzeit bekannt. Die christliche Tradition integrierte diese Praktiken und wob sie in den Glauben ein, um Gott für seine Gaben und die Früchte der Erde zu danken.

In der armenischen Tradition besitzt die Traubensegnung als Erntedankfest eine besondere Bedeutung. Die Kirche ehrt den Schöpfer, in dem er sich durch die Opfergaben bedankt und betont die Verantwortung des Menschen für die Umwelt und die Natur. Ähnlich wie im allgemeinen christlichen Kontext wird auch in der armenischen Tradition die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, Mensch und Gott gefeiert. Die Menschen sind Gott dankbar für die Ernteerträge und für alle Gaben Gottes.

Das Erntedankfest ist ein guter Anlass nicht nur die Dankbarkeit für die materiellen, sondern auch die geistlichen Gaben. Es ist aber auch Anlass, über die besondere Verantwortung des Menschen nachzudenken. Denn das Fest erinnert uns auch daran, dass der Mensch, als Verwalter der Schöpfung, die Verantwortung hat, seine Aufgaben im Einklang mit den göttlichen Prinzipien auszuüben.

AGBW Team